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Kultur: Schlupflöcher in der Herzensburg Wolfgang Joop debütiert mit „Im Wolfspelz“ als Romancier

JOOP! – nur das Ausrufezeichen fehlt noch auf dem Schutzumschlag des literarischen Erstlings von Wolfgang Joop.

JOOP! – nur das Ausrufezeichen fehlt noch auf dem Schutzumschlag des literarischen Erstlings von Wolfgang Joop. Sonst wäre das Buch eine Markenware wie es die Mode war, die JOOP! geschaffen hat. Der Autorname auf dem Umschlag, größer als der Buchtitel selbst, soll ins Auge springen – denn die Erfahrung hat gelehrt, dass er sich gut verkauft. Wolfgang Joop verstellt und versteckt sich in seinem Buch in der Tat nicht: Es handelt, auch wenn es in der dritten Person geschrieben ist, von ihm selbst, dem Modemacher Wolf, der mit der American-Express-Card in Platin die V.I.P.-Lounges der New Yorker Clubs besucht und dort seine Liebhaber erspäht. Joop, der Autor, unterhält mit Berichten aus dem Szeneleben der Weltstadt und ihrer Schickeria, vor allem aber aus dem Milieu der Homosexuellen.

Joop, der auch auf dem rückseitigen Umschlag für sein Buch wirbt, schreibt eigentlich die Geschichte des alternden Mannes, des Erfolgreichen, der seine ökonomischen Verhältnisse geordnet, darüber aber sein Herz vergessen hat. Ohne Sentimentalität geht solch eine Revision nie ab. Im wirklichen Leben mögen die Versäumnisse, die ein angestrengtes Berufsleben gekostet hat, auf vielfältige Weise zu beheben sein; im Roman muss dies vor allem durch die Liebe geschehen. Nach ihr also verzehrt sich das ewigjunge Herz. Die Weisheit des Alters drängt sich dem Sinnsucher allerdings dann doch auf: „Man bekommt seine Jugend nicht zurück“, so sinniert Wolf, „indem man Jugendsünden und Fehler wiederholt“.

Die schwiemelnde Berühmtheit muss also feststellen, dass ihr Gefühl viel zu schwerfällig ist für die schnelle Weltstadtliebe. Die wendigen, schlauen Bürschchen, auf die die Liebe fällt, lassen sich in der „mittelalterlichen Festung“, in die sich das gereifte Gemüt zurückgezogen hat, nur schwer halten. Immer wieder finden die Schlauberger Schlupflöcher, um dem sehnsuchtsmüden Herzen mit dessen platinschwerer Kreditkarte zu entkommen.

Aus den vielen Enttäuschungen erwächst dem „Wolf“ die Einsicht, dass er nichts anderes sei als ein Schaf „im Wolfspelz“, das sich danach sehnt, zu Herde und Heimat zurückzukehren. Man darf annehmen, dass Joop die Inszenierung dieser Rückkehr humoristisch versteht, auch wenn sie ohne jeglichen Humor erzählt ist: Der enttäuschte Wolf findet seinen Doppelgänger in dem kleinen Hündchen Wolf, das einen ebenso rotblonden Pelz trägt wie er. Die Verjüngung des Heldenlebens im Hundeleben ist ein schwacher Trost für die schönen und oft sogar geistreichen Jünglinge, die dem schafsmäßigen Wolf entgangen sind. Auch der Schutzengel, den der verunsicherte Erfolgsmann auf Schritt und Tritt anruft, hat, wenn er keinen besseren Trost weiß, an Autorität eingebüßt.

Der Engel freilich ist nur die kindliche, die neckische Metapher für die Sinnsuche, die hinter all den schnoddrigen Dialogen und schnittigen Szeneauftritten steht. Joop spricht von ihr nie ausdrücklich; vielmehr zitiert er viele frommen Sprüche, die er aus Literatur und Philosophie kennt, von Ludwig Helmbold bis zu Simone Weil.

Joop war nie ein wirklich großer Modeschöpfer, wohl aber ein geschickter Designer und Geschäftsmann. Auch sein Roman ist ein Design aus den coolen Reden der Szene, aus Herzschmerz und Sinngedicht. Das lässt sich gar nicht schlecht lesen. Wen es bislang nicht störte, JOOP! vor aller Welt auf der Brust zu tragen, der wird Joop nun auch in sein Herz schließen – denn der Roman ist gut geschneiderte Qualitätsware, eben „JOOP!“!

Wolfgang Joop: ImWolfspelz. Roman. Eichborn, Frankfurt/M. 2003, 300 S., 19, 90 €.

Hannelore Schlaffer

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