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Kultur: Schön schlicht

Bitte recht unauffällig: Galeriewände sind zum Hängen da, bemerken soll man sie nicht. Deshalb der „white cube“, das klare, konzentrierte Weiß für eine Wand ohne jeden Störfaktor.

Bitte recht unauffällig: Galeriewände sind zum Hängen da, bemerken soll man sie nicht. Deshalb der „white cube“, das klare, konzentrierte Weiß für eine Wand ohne jeden Störfaktor. Wie anders Wände wirken können, zeigt die junge Künstlerin Ricarda Roggan in der Galerie Eigen & Art (Auguststr. 26, bis 3. 3.). Schacht , so der Name ihrer Fotoserie im Großformat (12 000 Euro pro Exemplar bei einer Auflage von drei Fotos pro Motiv), zeigt exakt, was der Titel verspricht: mit Ziegel gemauerte und anschließend weiß getünchte Räume in einer historischen Fabrik, die zu Lüftungsschächten umfunktioniert wurden.

Deren Wände allerdings tragen Spuren und das nicht knapp: Farbspritzer, abgesägte Rohre und Öffnungen, die mit porösem Ytongstein zugemauert worden sind. Nichts davon ist artifiziell. Stattdessen dokumentieren die Bilder den organischen Prozess einer permanenten Veränderung, der sich an der Funktion des Gebäudes orientiert. Genauer gesagt: Die Fotos erzählen davon – obwohl sich die junge Künstlerin aus Leipzig und ehemalige Meisterschülerin von Timm Rautert für möglichst nüchterne Raumsituationen interessiert.

Roggan selbst sorgt mit kaum sichtbaren Eingriffen dafür, dass sich die Atmosphäre radikal verändert: Zum einen lässt sie alle noch vorhandenen Öffnungen schließen und zwängt sich fürs Fotografieren durch einen letzten schmalen Zugang. Zum anderen fegt sie die Räume aus und schickt den Staub durch ein Sieb, bevor sie ihn auf dem Boden verteilt. So verdichtet die Künstlerin die Szenerie am Ende klaustrophobisch und lässt die schmuddelweißen Mauern einem Gemälde von Robert Ryman ähneln, vor der man steht und dankbar für die kleinste Differenz der Oberflächen ist.

Ganz anders auch die Ausstellung Habenichts von Ayse Erkmen in der Galerie Barbara Weiss (Zimmerstr. 88-89, bis 3. 3.). Erkmen fixiert ihre Objekte – farbige Zahlen und Buchstaben aus Plexiglas, bunte Rollos oder ellenlange, extrem schmale Teppiche – direkt im Raum und macht so die Wände und Böden zum Bestandteil ihrer eigenen Arbeit. Habenichtse sind die präsentierten Dinge, weil sich mit ihnen bei aller Schönheit nichts wirklich Praktisches anstellen lässt. Weder passen die Jalousien (je 3,500 Euro) so in die Fenster, dass sie das Licht variieren, noch bilden die Buchstaben (je 300 Euro) Wörter oder die Teppiche einen echten, den Boden bedeckenden Belag.

Nutzloses im besten Sinn, das sich für diese eine konkrete Inszenierung in der Galerie zu einem flüchtigen Gesamteindruck zusammensetzt. Und eine Reflektion über die Funktion der Kunst, deren Autorenschaft die etablierte Künstlerin spielerisch unterläuft, indem sie endlos Etiketten mit ihrem Namen produzieren ließ, die als softe Skulptur (18000 Euro) an der Wand hängen.

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