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Kultur: Schön unscharf

Gemischtes Ergebnis, penible Käufer: die Herbstauktion der Villa Grisebach

Noch im Frühjahr gab es im Auktionsgeschäft die Hoffnung, dass der Kelch der Finanzmisere am florierenden Kunstmarkt vorbeigehen könne. Der Coup, den Damien Hirst mit der Versteigerung eigener Werke landete, markierte im September ein letztes Aufbäumen. Seither schlagen die Verluste der untergehenden Bank-Imperien auch auf dem internationalen Kunstmarkt ihre Wellen. So waren die Erwartungen im Vorfeld der „Ausgewählten Werke“ in der Villa Grisebach gespannt. Leise Krisenspuren zeigte bereits die Angebotspalette. Nach der Talfahrt der Börsen im Februar fiel die Einlieferungszeit in eine hochnervöse Phase, in der die Besitzer exklusiver Kunst Skrupel ereilten. Die Millionen-Lose haben sie sich für bessere Zeiten aufgehoben.

Doch das Preissegment im fünf- und sechsstelligen Bereich zeigte sich für die im Haus angestammte Klassische Moderne erfreulich stabil. „Von Zurückhaltung keine Spur“ hatte die Pressemitteilung für die Auftaktveranstaltung der Herbstauktionen mit Fotografie vermeldet. Was am Vortag noch einem trotzigen Zweckoptimismus geschuldet schien, kann für die Hauptauktion mit Fug und Recht unterstrichen werden: Das Publikum strömte wie eh und je in die Charlottenburger Villa.

Den höchsten Schätzpreis der 86 Losnummern hatte man Max Liebermanns 1916 in impressionistisches Licht getauchtes „Strandleben“ zugetraut. Für die faszinierenden Momente, die der Maler mit locker andeutenden Pinselstrichen der holländischen Küste und ihren Badegästen abgewann, gewährte ein Bieter im oberen Saal 500 000 Euro.

Ein wenig in den Schatten gestellt wurde das Ergebnis zwei von Papierarbeiten. Zunächst von Lovis Corinths heiß umworbenem Aquarell „Gartenwicken“. Geschätzt war das wunderbar aufgewühlte Blumenstillleben aus dem Jahre 1923 auf 180 000 – 240 000 Euro. Die waren schon weit überflügelt als ein neuer Bieter bei 380 000 Euro auf den Plan trat, der sich schlussendlich gegen Telefone und anwesende Konkurrenz in beiden Sälen bei 520 000 Euro durchsetzte. Ein neuer Rekordpreis für eine Papierarbeit von Corinth und ein Bonbon zum Jubiläumsjahr. Denn anlässlich des 150. Geburtstags hatte die Villa Grisebach dem Berliner Maler einen Sonderkatalog mit zwölf, zumeist späten Werken gewidmet. Viele entstanden am Walchensee, wo Corinth die Möglichkeiten und Grenzen gegenständlicher Malerei in seinen letzten Schaffensjahren erforscht hatte. Nicht minder umkämpft war das Ölbild „Walchensee, Mondnacht“, das sich mit einem Hammerpreis von 450 000 Euro im Rahmen der Taxe bewegte, während das gleichauf geschätzte „Walchensee, Junimond“ unverständlicherweise zu den wenigen Rückläufern gehörte.Mit stolzen 300 000 – 350 000 Euro war Ernst Ludwig Kirchners „Kokottenkopf in Federhut“ von 1909/19 eingestuft worden. Doch die Farblithographie schnellte nicht zuletzt aufgrund ihres malerischen Charakters rasch auf 480 000 Euro, die ein neuer Saalbieter noch einmal auf 520 000 Euro anhob.

Insgesamt stimmte das lebhafte Publikum den Einschätzungen zu. So auch Max Pechsteins „Sonnenblumen“, für die der Maler, laut seines frühen Biographen Max Osborn, sich nachts hinaus schlich und „riesenhafte Stämme mit Blattschilf-Pyramiden vom Felde stahl“. Nach kurzem Zögern bewilligte eine Dame die untere Taxe bei einem Hammerpreis von 200 000 Euro. Eher glimpflich ist die Fotografie-Auktion verlaufen. Bei einem Erlös von 460 000 Euro inklusive Aufgeld konnte die Verkaufsquote im Vergleich zum Frühjahr leicht zulegen, blieb aber insgesamt hinter den Erwartungen zurück. Auf der Habenseite hat allen voran Larry Clarks „Tulsa“ zu diesem Ergebnis beigetragen. Mit einem Hammerpreis von 40 000 Euro erreichte das Portfolio die untere Schätzung und konnte seine Position als teuerstes Los des Nachmittags behaupten. Der höchste Einzelzuschlag wurde für Bettina Rheims berühmtes Motiv „7 Novembre, Paris“ aus der Serie „Chambre Close“ gewährt, das von geschätzten 4000 auf 19 000 Euro stieg. Demgegenüber standen jedoch schmerzliche Rückgänge wie ein kanarisches Dorf von Andreas Gursky, für das man 40 000 Euro erwartet hatte, sowie auffallend viele Zuschläge unter Vorbehalt.

Die von Grisebach-Geschäftsführer Bernd Schultz gern beschworene Bodenständigkeit und Leidenschaft seiner bürgerlichen Sammler-Klientel hat sich einmal mehr als Garant auch in Krisenzeiten erwiesen. Der Gesamtumsatz der Abendauktion lag mit 10,2 Millionen Euro souverän über den Erwartungen.

Villa Grisebach, Fasanenstraße 25: heute ab 10 Uhr: „Kunst des 19./20. und 21. Jahrhunderts“, ab 15 Uhr; „Third Floor - Schätzwerte bis 3000 Euro“

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