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Kultur: Schöne Aussicht

Eine Ausstellung präsentiert die Sieger des Wettbewerbs „junge deutsche fotografie“

Mag auch im Augenblick viel von der neuen deutschen Malerei die Rede sein – die Fotografie hat sich allemal etabliert. Allein schon ein Blick auf den neuesten „Capital-Kunstkompass“ belegt die internationale Wertschätzung der deutschen Fotokünstler zumal der Becher-Schule.

Es kann also kaum verwundern, dass der im vergangenen Jahr begründete Wettbewerb „gute aussichten – junge deutsche fotografie“ für Diplomarbeiten aus dem Fachbereich Fotografie rasanten Aufwind meldet: Nach 60 Einreichungen von 22 Hochschulen im Vorjahr waren diesmal 94 Einsendungen von 33 Institutionen zu begutachten. Die 13 ausgewählten Arbeiten werden von heute an im Museum für Fotografie in der Jebensstraße gezeigt, von wo sie – noch eine Neuerung – auf eine ausgedehnte Tournee bis nach Übersee starten werden.

Natürlich schimmern die Vorbilder durch – wie sollte es auch anders ein. Der Markterfolg der Fotografie regt zur Nachahmung an. Umso bemerkenswerter sind die stilistische und thematische Vielfalt der von einer vierköpfigen Jury um Kuratorin Josefine Raab gewählten Arbeiten. Aber auch die technische Bandbreite: Sie reicht „vom klassischen C-Print, passepartouriert und gerahmt, über Laserkopien und Inkjet-Prints, über Farbdiapositive in Leuchtkästen und Diasec auf Plexiglas bis hin zu einer großformatigen Wandarbeit aus Kopierpapier, einem handgearbeiteten Künstlerbuch, zwei DVDs und drei Büchern, welche die fotografische Arbeit ergänzen bzw. dokumentieren“, wie in dem von der „Spex“ erstellten Begleitheft zu lesen steht.

Erstaunlich ist die Feldforschung, die manche Teilnehmer betreiben mussten. Philipp Goldbach nahm sich der aussterbenden Spezies traditioneller Fernsehantennen an, die auf seinen Bildern eine enorme grafische Schönheit entfalten. Henning Rogge dokumentiert Aussichtspunkte von Meer bis Hochgebirge und zeigt damit, wie Landschaft durch den touristischen Blick wahrgenommen wird. Robert Voit hat als Baum verkleidete Mobiltelefon-Funkmasten aufgespürt, gewissermaßen die Re-Naturierung der Technik. Christian Wolter fand allerorts in Deutschland fehlgeschlagene Investitionsvorhaben – die um sich herum ganz eigene Formen von Spontan-Landschaften ausbilden. Es gibt konzeptuelle Arbeiten, etwa Peter Wildangers Innen-Außen-Untersuchung oder Markus Uhrs Analyse „des“ Bildes. Es gibt Inszenierungen wie Bettina Metzens „Selbstgespräche mit dem Universum“. Und es gibt Narratives wie Delia Kellers Paraphrase auf Marie-Luise Kaschnitz’ Erzählung „Die Eisbären“ oder die Installation von Kathi Schröder zu Max Frisch’ Roman „Stiller“, die sich um keine Gattungsgrenze mehr kümmert.

Das alles kann Fotografie sein – heute. Es beeindruckt der Grad an Professionalität, an Beherrschung und individueller Weiterentwicklung des Mediums, der die Arbeiten der 13 Künstler auszeichnet. Zudem kommt dieser Aufbruch großartig in den noch unrenovierten Räumen der Jebensstraße zur Geltung – eine Etage über der opulenten Helmut- Newton-Stiftung. Damit kommt das Museum für Fotografie in einer Gegenwart an, die noch alle Zukunft vor sich hat.

Museum für Fotografie, Jebensstr. 2, bis 11. Dezember. Katalog (BoD Hamburg) 34,90 €. Heute um 16 Uhr findet ein Künstler-Werkstattgespräch statt.

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