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SCHREIB Waren: Hinter den sieben Bergen

Als Sarmatien oder Sarmatia bezeichneten Griechen, Römer und Byzantiner vor allem in der Spätantike ein großes Gebiet zwischen den Flüssen Weichsel im Westen und Wolga im Osten, zwischen Ostsee und Schwarzem Meer. Ein Teil davon trägt den geografischen Namen Sarmatische Tiefebene.

Als Sarmatien oder Sarmatia bezeichneten Griechen, Römer und Byzantiner vor allem in der Spätantike ein großes Gebiet zwischen den Flüssen Weichsel im Westen und Wolga im Osten, zwischen Ostsee und Schwarzem Meer. Ein Teil davon trägt den geografischen Namen Sarmatische Tiefebene. Mit Ausnahme der südlichen Landschaften war das Land rau und winterlich, von Natur aus eher zur Viehzucht als zum Ackerbau geeignet. Vor allem ist Sarmatien jedoch ein utopischer Ort, in dem slawische und deutsche Kultur aufeinandertreffen. Oder ein fantastisches Gebiet der Legendenbildung, irgendwo im Osten hinter den sieben Bergen, wo der aufgeklärte Westen seit zweihundert Jahren die Heimat des Rückständigen sieht. Sarmatien ist überall dort, „wo Intrigen, Anarchie und Absurdität herrschten“, fasst der österreichische Schriftsteller Martin Pollack in seinem wunderbaren Sammelband „Sarmatische Landschaften“ gängige Klischees zusammen, um sie gleich wieder vom Tisch zu wischen. „Es ist eine Absicht der vorliegenden Textsammlung, solche abschätzigen Urteile gegenüber unseren östlichen Nachbarn zurechtzurücken und den Blick für diese Regionen zu schärfen, die nach wie vor im blinden Winkel unserer Wahrnehmung liegen.“

Von Juri Andruchowytsch über Stephan Wackwitz bis zu Andrzej Stasiuk erarbeiteten 25 Autoren, mal ironisch, mal melancholisch, eine „Sarmatien-Enzyklopädie“. Und über allem schwebt der Dichter Johannes Bobrowski, dessen erster Gedichtband „Sarmatische Zeit“ 1961 erschien. Für Bobrowski, 1917 im ostpreußischen Tilsit geboren, war Sarmatien das idyllische Land seiner Kindheit und zugleich ein von Deutschen geschändetes Gebiet, in dem er während des Krieges als Soldat gedient hatte und dem er Scham und Schuld gegenüber empfand. Zur Versöhnung wollte er mit seinen Gedichten und Erzählungen einen „sarmatischen Diwan“ beziehen. Bobrowskis Leben war kurz. 1965 starb er 48-jährig an einem Blinddarmdurchbruch. Zu seinen Ehren liest Klaus Völker am Samstag, dem 28. April in der Lettrétage (Methfesselstraße 23-25 , 19.30 Uhr) Texte von Bobrowski. Daneben wird Michael Augustin O-Töne von Bobrowski und Freunden wie Christoph Meckel, Hans Werner Richter und Robert Wolfgang Schnell vorstellen.

Bernd Schroeder
, 1944 im heute tschechischen Aussig geboren, wurde als Drehbuchautor und Regisseur bekannt. Zuletzt schrieb er vor allem Romane. Sein neuester heißt „Auf Amerika“ und handelt von einer Nachkriegsjugend in einem oberbayerischen Dorf. Er liest am 26. April im Buchhändlerkeller (Carmerstraße 1, 20.30 Uhr).

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