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SCHREIB Waren: Hinterwäldler und Voodoopriester

Eigentlich will Harold Fry nur einen Brief an seine ehemalige Kollegin Queenie einwerfen. Er möchte der Krebskranken Mut machen.

Eigentlich will Harold Fry nur einen Brief an seine ehemalige Kollegin Queenie einwerfen. Er möchte der Krebskranken Mut machen. Doch dann läuft er am ersten Briefkasten vorbei. Und am zweiten. Und hört nicht mehr auf, bis er in 87 Tagen 1000 Kilometer gewandert ist – von Südengland bis zum Hospiz an der schottischen Grenze, in dem Queenie liegt. In ihrem Debütroman „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ lässt Rachel Joyce eine Wanderung zur Lebensreise werden. Zwar wird Harold von der Idee angetrieben, so lange er laufe, bleibe Queenie am Leben, doch muss er sich unterwegs nicht nur mit Hunger, zerschundenen Füßen und ungebetenen Mitreisenden, sondern vor allem mit den Geistern der eigenen Vergangenheit herumschlagen. Bei der Buchpremiere im Babylon Mitte mit der Autorin liest Joachim Król (Donnerstag, 20 Uhr, Rosa-Luxemburg- Straße 30).

Gereist ist auch Marie Pohl – mit dem Ziel, wirkliche Geister zu treffen. Ihre „Geisterreise“ führt sie rund um die Welt; auf Kuba und Bali, in Ghana und New York sucht sie Menschen mit übersinnlichen Kontakten. Pohl wurde mit „Maries Reise“ bekannt, einem Porträt ihrer Generation, für das sie weltweit mit Altersgenossen sprach. Nun folgt sie seltsamen Zeichen, spricht mit Magiern, Geisterjägern und Voodoopriestern. Am Mittwoch kann man das Jenseits im Diesseits kennenlernen (21 Uhr, Haus der Berliner Festspiele, Schaperstraße 24).

Zu Hause bei den Hinterwäldlern im Süden Missouris bleibt hingegen der 13-jährige Chug Akins – obwohl er wohl allen Grund für einen Ortswechsel hätte. Mutter Glenda ist alkoholabhängig, Stiefvater Red gewalttätig. Ihr Kosename „Sweet Mister“ verstärkt die inzestuöse Neigung des Sohnes noch, Red zwingt ihn zu Einbrüchen. Als ein fremder Mann Glenda die Chance auf ein besseres Leben bietet, gerät das prekäre Familiengefüge aus den Fugen. Daniel Woodrell schrieb „Der Tod von Sweet Mister“ vor seinem Roman „Winter’s Bone“, der – nicht zuletzt in der Filmversion – den Autor auch hierzulande bekannt machte. Beide Texte sind Country Noir: dunkle, schnörkellose, poetische Geschichten über das Leben in Armut und Gewalt. Die deutsch-englische Lesung mit Woodrell und Adam Nümm findet am Donnerstag im English Theatre Berlin statt (20 Uhr, Fidicinstraße 40).

Während Sweet Mister als ödipaler Underdog den Imperativ „Sex ist verboten“ umschiffen will, gilt er im buddhistischen Retreat-Zentrum kategorisch für jeden, der ein Ego abstellen will. Doch die junge Beth liest das Tagebuch eines Mannes und verstrickt sich in dessen Begehren. Tim Parks hatte mit der Krankengeschichte „Sitzen lernen“ seine Heilung durch Meditation beschrieben, nun zeigt sein amüsanter Roman die Fallstricke von Egos und Eros. (Sonnabend, 16 Uhr, Haus der Berliner Festspiele, Schaperstraße 24).

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