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SCHREIB Waren: Von Bienen und Wölfen

Der Mensch ist Aristoteles zufolge ein zoon politicon, ein Wesen, das in Gemeinschaft lebt und leben muss. Dieses Schicksal teile er mit anderen Wesen, etwa den Bienen.

Der Mensch ist Aristoteles zufolge ein zoon politicon, ein Wesen, das in Gemeinschaft lebt und leben muss. Dieses Schicksal teile er mit anderen Wesen, etwa den Bienen. Anders als bei diesen ist es um die menschliche Gemeinschaft allerdings häufig schlecht bestellt. Grund genug, sich diese Woche dem Politischen zuzuwenden. Der Heimathafen Neukölln (Karl-Marx-Str. 141) hat den heutigen Dienstag zum „Empört Euch!“-Tag erklärt. Um 19 Uhr liest Pinar Erincin die gleichnamige Streitschrift von Stéphane Hessel, in der der 93-jährige Franzose zu politischem Engagement aufruft. Um 20.15 Uhr folgt „Das Manifest der Vielen“, das sich als „Gegengift“ gegen Thilo Sarrazins These versteht. Der Abend schließt um 21.30 Uhr mit Katja Kullmanns „Echtleben“, einem Bericht über die Nöte des Kreativprekariats.

Am Mittwoch um 20 Uhr liest Liao Yiwu im Haus der Berliner Festspiele (Schaperstr. 24). Der Autor wurde 1989 wegen seines Gedichts „Massaker“, das er den Opfern auf dem Platz des Himmlischen Friedens widmete, eingesperrt und gefoltert. Mit seinem Reportagebuch „Fräulein Hallo und der Bauernkaiser“ ließ er die Randständigen Chinas zu Wort kommen – ein zeitgeschichtliches Monument. Nun stellt er sein neues Buch „Für ein Lied und hundert Lieder. Ein Zeugenbericht aus chinesischen Gefängnissen“ vor. Es beschreibt die staatliche Repression in China, Folter und Grausamkeiten; aber auch den Widerstand, den Einzelne leisten. Sprachgewaltig zeigt es auch, dass unter den Bedingungen des nackten Lebens der Mensch nicht notwendig ein Wesen mit Gemeinsinn ist, sondern zum Wolf mutieren kann. Dass die Nobelpreisträgerin Herta Müller mit einem Vortrag in Liaos Werk einführt, ist der angemessene Rahmen für einen Schriftsteller, den man selbst zu den Nobelpreiswürdigen zählen muss.

Wer nun selbst aktiv werden möchte, kann sich ja schon mal beschweren. Die Literaturwerkstatt nimmt unter beschwerde@)literaturwerkstatt.org den gesammelten Unbill über unsere Lieblingsstadt entgegen, den ein Beschwerdechor dann einen Tag vor der Berlin-Wahl in der Kulturbrauerei vortragen wird. Da kommt sicher einiges zusammen!

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