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Kultur: Schuld, Sühne und ein Whiskey

Jüngstes Gericht im Sexkino: eine Erzählung von Hugo Hamilton

Kindheitsgeschichten gibt es zuhauf, Sühnegeschichten ebenfalls, aber beides zusammen dürfte eher selten sein. „Du musst dir deine Unschuld erst verdienen“, sagt die Mutter zum Sohn. Kinder kämen nicht unschuldig auf die Welt. Sie „erben die Geschichte ihrer Eltern. Das ist dein Geburtsmal“, sagt sie. An ihm trägt Hugo Hamiltons Ich-Erzähler schwer: Seine Mutter ist nämlich Deutsche, der Vater Ire, und das ist im Irland der 50er Jahre ein Stigma. Aber soll man deshalb Schuldgefühle haben? Zunächst hat der Junge vor allem jene „Unschuldsgefühle“, die der kleinen, wunderbaren Erzählung den Titel geben.

Mit leisem Witz und schwerblütigem Stoizismus kehrt Hamilton die traditionelle, seit Rousseau geltende Gegenüberstellung von unschuldiger Kindheit und schuldhafter Gesellschaft um. Auf 60 Seiten erzählt er vom Weg eines jungen Menschen zur unschuldigen Schuld und damit zu sich selbst. Der Weg ist verschlungen: Denn wer seine Unschuld behauptet, wirkt wie ein schuldbewusster Leugner. Wer eine Missetat begeht, die ihm nicht nachgewiesen werden kann, erlebt, wie der deshalb wütende Vater ungerecht wird. Und als der Jugendliche stellvertretend für einen anderen seinen Kopf hinhält, übernimmt er eine fremde Schuld – die aber macht auch nicht unschuldig.

Sühne ist bei Hamilton ein schwieriger Prozess, der letztlich nach Berlin führen und in aller Unschuld in einem Sexkino enden wird. Natürlich in einem mit Ausschank, das ist man sich als Ire schuldig.

Hugo Hamilton: Unschuldsgefühle. Aus dem Engl. von Hans-Christian Oeser. Spurensicherung Bd. 11. Verlag daad Berliner Künstlerprogramm, Berlin 2003. 76 S., 8,60 €.

Jörg Plath

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