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Kultur: Schwenkows Coup (Kommentar)

Peter Schwenkow ist ein visionärer Pragmatiker. Wovon er träumt, das klingt für die meisten Ohren nach Größenwahn.

Peter Schwenkow ist ein visionärer Pragmatiker. Wovon er träumt, das klingt für die meisten Ohren nach Größenwahn. So denkt der Konzertmanager allen Ernstes an die Rückkehr der großen Revue, an schneeweiße Freitreppen, leuchtende Wasserspiele und wie von Zauberhand aus einem See gehobene Nixen, die Klavier spielen. Verrückt, nicht wahr? Aber man hat einst auch nicht glauben wollen, dass klassische Open-Air-Konzerte in der Berliner Waldbühne ein Publikum finden würden. Schwenkow besitzt etwas, das die Kultur erblassen lässt. Vor dem sie sich fürchtet, weil es ihr aus einem maßgeschneiderten Anzug mit Einstecktuch, Redford-Hemd, Baumwollstrümpfen, Alden-Schuhen und Armani-Brille entgegentritt. Es ist nicht das Geld. Sondern die Siegesgewissheit. Er könnte platzen, soviel besitzt er jetzt davon.

Mit dem Kauf der Stella AG ist dem Berliner Unternehmer der größte Coup seiner an großen Coups nicht eben armen Laufbahn gelungen. Mit einem Schlag verleibt sich Schwenkows "Deutsche Entertainment AG" fünfzig Prozent des gesamten deutschen Musical-Markts ein. Das sind nicht eben Trümmer, auch wenn sie ihm aus der Konkursmasse eines von ruinösen Immobiliengeschäften in die Knie gezwungenen Branchen-Riesen in die Hände fallen. Und so reibt sich die Kultur mit skeptischer Zurückhaltung die Augen. Hat er sich da nicht womöglich verhoben? Woher nimmt dieser Mann 40 Millionen Mark? Seine unter dem Dach der Deag zusammengefassten Varieté-Bühnen, Konzert- und Tournee-Veranstaltungen setzten 1999 172 Millionen Mark um, was etwa einem Drittel des Stella-Volumens entspricht. Mit der Übernahme von sechs Musical-Theatern dürfte Schwenkow seiner Idee, einen Unterhaltungskonzern großen Stils zu entwickeln, ein ganzes Stück näher gekommen sein.

Dennoch beschleicht einen leises Unbehagen. Schon einmal hatte sich Schwenkow mit Musical-Ambitionen an eine große Bühne gewagt: Im Schiller-Theater in Berlin wollte er Musiktheater mit Berlinbezug inszenieren. Nachdem er den Mitbewerber Wolfgang Bocksch ausgestochen hatte, begrub er seine Ambitionen wieder und machte seinen Konkurrenten zum Partner. Ein Fiasko. Nach einer Serie uninspirierter, zum Musical aufgemotzter Tanz-Shows zogen sich Schwenkow und Bocksch aus dem desaströsen Experiment zurück.

Was zweierlei besagt: Erstens kann man sehr erfolgreich Varieté-Programme entwerfen und für die komplizierte Kunstform des Musicals doch kein Verständnis aufbringen. Zweitens weiß Schwenkow das und kauft sich den, der dieses Verständnis zu besitzen behauptet. Gut möglich, dass sich die Notre-Dame-Kulissen im "Glöckner" bald in eine glitzernde Showtreppe verwandeln und Max Raabe am weißen Flügel aus einem See emporsteigt. Die Hebetechnik gibt es bereits.

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