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Kultur: Schwül und seidig

KONZERT

Lässt sich der Sauerstoffgehalt von Musik messen? Jukka-Pekka Saraste kann das: Mit seinen weit ausholenden, geschmeidig-tänzerischen Bewegungen fordert der finnische Dirigent in Jean Sibelius’ „Tapiola“ vom Deutschen Symphonie-Orchester einen hellen, „offenen“ Klang. Aufwärts, den Strömen sich erwärmender Luft folgend, strebt sein Taktstock, für das Tongemälde seines Landsmanns will er Weite und einen heiteren Horizont: Majestätisch rauschen die Naturkräfte im atmosphärisch dichten Spiel des DSO auf.

Wie erdrückend schwül erscheint nach dieser Frischluftkur der Großstadt-Salon, in dem Alexander Zemlinsky seine Maeterlinck-Gesänge zelebriert. Saraste reduziert den CO2-Gehalt radikal, die Raumtemperatur liegt bei mindestens 23 Grad. Sanft hüllt er seine Solistin Monica Groop in dunklen Samtklang ein, pathosgesättigt tropfen Metaphern auf den tandgeknüpften Klangteppich, seidig schimmert Groops Mezzosopran, wie Kerzenlicht auf poliertem Mahagoni. Wie gut, dass die fünfte Sinfonie des Dänen Carl Nielsen wieder unter freiem Himmel spielt: Flach und endlos erstreckt sich die Ebene, in der das 1921 entstandene Drama ohne Worte spielt. Da kann schon mal eine heftige Böe über die Felder fahren, wissen Saraste und das Deutsche Symphonie-Orchester über Nielsens Seelenlandschaften zu berichten, da zerfetzt ein Trommelwirbel die Stille und die Piccoloflöte warnt vorm nahenden Sturm.

Wo so packend erzählt und auf absolutem Weltklasseniveau musiziert wird, riecht nichts faul im Staate Dänemark – und die Zuhörer verlassen das Konzerthaus schließlich erfrischt wie nach einem zweistündigen Waldspaziergang. Frederik Hanssen

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