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Kultur: Sechs Oktaven

Musik mit Knoten: das Berliner „Fest der Kontinente“

„Könnt Ihr mir was vorsingen?“ bat Saadet Türköz ihre Verwandten oft, als sie noch ein Kind war. Dann lauschte sie aufmerksam den Liedern und Geschichten aus Ost-Turkestan, der Heimat ihrer kasachischen Eltern. Heute ist sie es, die singt – von Liebe, Sehnsucht, dem Leben in der Steppe: „Geboren bin ich auf dem Land, neben mir grasten Fohlen, gefüttert wurde ich mit Stutenmilch, jagte über die Ebene auf Hengsten, nun bin ich am Ziel.“ Türköz vertont, dichtet, und schreibt die Erinnerungen der Alten um, denn sie selbst hat nie in Ost-Turkestan gelebt: Sie ist in Istanbul aufgewachsen. Dorthin flohen ihre Eltern Ende der 40er Jahre, dort kam sie 1961 auf die Welt. Seit über 20 Jahren wohnt Türköz nun in der Schweiz – und sie fühlt sich wohl in ihrer Wahlheimat: „Mir gefällt die Heimeligkeit, die Natur und dass die Menschen so zuverlässig sind.“ Manchmal singt sie sogar auf Schweizerdeutsch. „Aber nur als Gag,“ lacht sie, „eigentlich muss die Sprache, auf der ich singe, irgendwo in meinem Körper sein.“

Türköz kann man jetzt erleben: Zusammen mit dem türkischen Ney-Flöte-Spieler Kudsi Erguner und dem in Griechenland lebenden Armenier und Oud-Spieler Haig Yazdjian tritt sie zur Eröffnung des „Fest der Kontinente“ auf . Außerhalb dieses Abends geben die Musiker am morgigen Freitag ein Konzert im „Meistersaal“ (19.30 Uhr, Köthener Straße 38). Was zu hören sein wird, weiß die Improvisationskünstlerin noch nicht so genau – und nimmt es erstaunlich gelassen: „Wir spielen das erste Mal zusammen und werden nur einmal vorher proben.“ Das passt: Ihre musikalische Laufbahn hat Türköz keineswegs geplant. Sie studierte an keiner Hochschule und ein Gitarrenlehrer speiste sie mit den Worten ab: „Sie sind nicht so geeignet.“ Auf einer kasachischen Hochzeit wurde sie dann unvorbereitet aufgefordert zu singen – und das kam an. Inzwischen hat sie sich mit ihrer wohlklingenden, sanften Stimme und den melancholischen Liedern einen Platz in der Zürcher Musikszene ersungen.

Der bunte Lebenslauf der Sängerin steht Pate für das gesamte „Fest der Kontinente“, das in den kommenden zwei Wochen Einblicke in die Musik östlicher Kulturlandschaften geben will. Die Eröffnungsveranstaltung (19 Uhr, Gethsemanekirche) bietet einen ersten Vorgeschmack: Das Ensemble Huun-Huur-Tu aus der südsibirischen Republik Tuva wird die traditionelle Kunst des Obertongesangs vorstellen (nochmal: 22 Uhr, Gethsemanekirche). Der Estnische Philharmonische Kammerchor wird vergessene Völker der Ostsee besingen, bevor er am Samstag einen ganzen Abend bestreitet (19 Uhr Gethsemanekirche).

Sechs Oktaven: Kein Problem für die polnische Sängerin Olga Szwajgier, die nochmal am morgigen Freitag mit dem „Kwartet Szwajgier“ zu hören ist (19 Uhr, Gethsemanekirche). „Lieder mit Knoten“ singt der Rumäne Grigore Lese, der zusätzlich am Sonntag mit seinen Kehlkopflauten auf der Bühne steht (18 Uhr, Gethsemanekirche). Außerdem feiert das „Fest der Kontinente“ an zwei Abenden (27. /28. 9.) mit „Ligetis Klangwelten“ den 80. Geburstag des Komponisten nach.

Fest der Kontinente 18.9.-2.10., Infos unter www.fest-der-kontinente.de oder 25 00 060

Franziska Richter

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