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SEHEN: Mann, da kriegst du voll die Krise

Glaubt man dem charmanten kleinen Theater unterm Dach, gesellt sich zu den allseits beschworenen Wirtschafts-, Finanz- oder Nachbundestagswahlparteien-Krisen akut noch eine weitere hinzu. Es handelt sich um die Krise des Mannes.

Glaubt man dem charmanten kleinen Theater unterm Dach, gesellt sich zu den allseits beschworenen Wirtschafts-, Finanz- oder Nachbundestagswahlparteien-Krisen akut noch eine weitere hinzu. Es handelt sich um die Krise des Mannes. „Klaas muss sich ändern“, vermeldet die Theatertruppe Anstart.org jedenfalls kurz und knapp im Infomaterial zu ihrem Stück Sag niemals nie – Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs (4./5.10., 20 Uhr). „Seine Beziehung zu Mex strauchelt, und die gerade begonnene Affäre mit Lil entwickelt sich ebenfalls in eine fatale Richtung.“ So weit, so durchschnittlich.

Aber im Gegensatz zu anderen Krisenanalysten lässt es das Team um Regisseur Ulf Goerke bei dieser 0-8-15-Diagnose nicht bewenden, sondern leitet aus den amourösen Schwierigkeiten seines Antihelden Klaas eine ziemlich steile These ab. „Die persönliche Krise“, glaubt Anstart.org, „wird zum Spiegel der globalen Katastrophe. Wenn Männlichkeit als der fragilste und problematischste aller psychischen Zustände im Blickpunkt steht, werden die Krisensymptome unserer Zeit als Krise der hegemonialen Männlichkeit lesbar.“ Wow! Da scheint das Theater doch endlich mal wieder – was in letzter Zeit nicht allzu oft passierte – seiner Zeit avantgardistisch vorauszueilen!

Solange man sich außerhalb der Kulturtempel aufhält, fällt es jedenfalls nicht ganz leicht, die „Männlichkeit“ als „fragilste und problematischste aller psychischen Zustände“ zu identifizieren. Horst Seehofer nach dem bayrischen CSU-Wahlsieg? Matthias Sammer als Motzki vom Dienst beim amtierenden Fußballmeister? Rainer Brüderle in dem vom „Stern“ kolportierten Dialog mit der Journalistin Laura Himmelreich?

Kurzum: Will man tatsächlich die „Krise der hegemonialen Männlichkeit“ besichtigen, bleibt einem wirklich nur der Blick in einschlägige Frauenzeitschriften (die sich mit der männlichen Identitätskrise zwischen „Führungskraft und Fußmasseur“ ja unermüdlich beschäftigen) oder aber der Weg ins Theater. Denn dort kriselt die Männlichkeit praktisch seit Jahrhunderten munter vor sich hin. Man denke nur an den Nachwuchsakademiker Hamlet, der träge im elterlichen Palast herumhockt, sein Studium schleifen lässt und kaum von Macher-Qualitäten beseelt ist. Oder an Macbeth, der derart unterm Pantoffel steht, dass er nicht nur infolge dubioser Hexeneinflüsterungen, sondern vor allem wegen des ehrgeizigen Aufstiegswillens seiner Gattin zum Serienmörder wird! Ganz zu schweigen vom weicheiigen Gatten der messerscharfen Pistolenliebhaberin Hedda Gabler!

So gesehen fragt sich eigentlich nur noch, ob der Zeitgeistler Klaas im Theater unterm Dach in puncto Krisensymptomatik überhaupt mit seinen dramatischen Vorfahren mithalten kann!

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