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Dicht. Die Freiheitsstatue in New York ist so wie andere Touristenattraktionen geschlossen

© Andrew Gombett/dpa

Shutdown in USA: Wir müssen leider draußen bleiben

Vom Shutdown in den USA sind auch Kunst und Kultur betroffen. Vor allem Touristen haben das Nachsehen.

Tina Curtiss versteht die Welt nicht mehr. Sie hat den weiten Weg aus Australien nach New York auf sich genommen, um das bekannteste Wahrzeichen der Stadt zu sehen: die Freiheitsstatue. Doch jetzt sagt ihr ein Mann am Hudson-Pier, der mit Prospekten für eine Bootsfahrt wedelt, dass sie die Reise umsonst gemacht hat. „Wegen des Shutdowns ist das ‚Ellis Island National Monument‘ geschlossen. Aber sie können eine Rundfahrt um die Insel buchen.“ Als ob das ein Trost sei.

So wie Tina Curtiss geht es vielen Amerika-Touristen in diesen Tagen. Alle Museen und Nationalparks des Landes, so weit sie staatlich finanziert sind, bleiben wegen des Haushaltsstreits bis auf Weiteres geschlossen. Insgesamt sind über 400 Institutionen betroffen. Dienstagnacht hat die Regierung 800 000 Angestellte in unbezahlten Zwangsurlaub geschickt. Nur Einrichtungen wie Zoologische Gärten, in denen die Anwesenheit von Personal über Leben und Tod entscheidet, bleiben ausgenommen.

In New York scheint eine kräftige Oktobersonne, die Touristenströme halten an. Die großen Musicaltempel, die Broadway-Bühnen, die Metropolitan Opera, die Konzerthäuser sind vom Shutdown nicht betroffen. So profitieren Touristen wie das einheimische Publikum davon, dass die Kultur in Amerika überwiegend privat finanziert oder von Stiftungen getragen wird, auch viele Museen wie das Metropolitan Museum und das MoMA sind deshalb weiter geöffnet.

Für die staatlichen Häuser hat die Zwangspause spürbare finanzielle Konsequenzen. Besonders hart trifft es jene, die seit der Finanzkrise ohnehin um ihre Existenz kämpfen müssen – pünktlich zu der Nachricht vom Shutdown meldete die New York City Opera Insolvenz an, 70 Jahre nach ihrer Gründung. Der populären Institution mit wechselnden Spielstätten, immerhin New Yorks zweitgrößtes Musiktheater, fehlten am Ende sieben Millionen Dollar für die laufende Spielzeit; die letzte Vorstellung ging am Sonnabend vor einer Woche über die Bühne.

Aber auch das Nationalmuseum für die American Indians an der Independence Avenue mitten im Finanzzentrum im südlichen Manhattan ist vorerst geschlossen. Nur wenige Meter vom Pier zu den Fähren nach Ellis Island entfernt, stehen die Besucher vor verschlossenen Türen. Einige lateinamerikanische Touristen leisten sich eine Verschnaufpause, Deutsche blättern in Reiseführern herum, Franzosen fotografieren das Schild, das über den Totalausfall informiert. Wenn man die herumstehenden Wasserverkäufer fragt, wie lange der Ausnahmezustand anhalten könnte, erntet man Achselzucken. „Der letzte Shutdown 1995 hat beinahe einen Monat gedauert. Wer weiß, was dieses Mal geschehen wird.“

Die meisten New Yorker sehen den Shutdown gelassen. Oder sie bekommen ihn gar nicht erst zu spüren. Auf der Internetseite des „New York Magazine“ tauscht man humorvoll Alltagserlebnisse aus. „Panik auf den Straßen? Kannibalismus? Krieg? Nichts dergleichen.“ Ein anderer fragt sich, ob so ein Shutdown der Stadt nicht ganz gut tut. „Wenn die Touristen zu Hause bleiben, kann ich meinen Arbeitsplatz schneller erreichen. Vielen Dank, liebe Republikaner.“

Ökonomen reagieren weniger heiter, erfolgt die Haushaltssperre doch in einer Zeit, in der sich die USA von den Folgen der Finanzkrise zu erholen beginnen. Zwar machen die Staatsausgaben für Nationalparks und Museen nur ein halbes Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, aber sie sind ein wichtiger Stimulus für den Mittelstand. Allein in New York sind 22 Nationalparks und das beliebte Cooper-Hewitt National Design Museum betroffen; die landesweit etwa 400 Parks, darunter der Grand Canyon Nationalpark, rechnen mit Millionenverlusten.

Am meisten leidet wohl die Hauptstadt Washington D. C. unter der aktuellen Situation. Denn hierhin fließt ein Großteil der wenigen staatlichen Fördergelder für Kunst und Kultur. Das Lincoln Memorial muss schließen, der Zoo ist dicht, ebenso die 13 Staatsbibliotheken, das Nationalarchiv und 19 der bekanntesten Museen des Landes, darunter das Holocaust-Museum, das Luft- und Raumfahrtmuseum und die National Gallery of Art. Weltberühmte Gemälde wie die Selbstporträts von Vincent van Gogh oder Roy Lichtensteins Mickey-Maus-Grafiken bleiben den Augen der Öffentlichkeit vorerst entzogen. Auch alle Bildungsprogramme und Museumsführungen liegen auf Eis, weder das Capitol noch die National Mall sind geöffnet. Teilweise sind sogar staatlich finanzierte Hotelanlagen von den Schließungen betroffen, auch darunter leidet die Tourismusindustrie.

Dass die Kultur vom politischen Kampf zwischen Republikanern und Demokraten in Mitleidenschaft gezogen ist, gehorcht einer unfreiwilligen Logik. Verantwortlich für die Blockadepolitik gegen Obamas Reformkurs und vor allem gegen dessen Gesundheitsreform ist die Tea Party; für die Kultur hat sich der rechte Flügel der republikanischen Partei nie sonderlich interessiert. Dass die Mehrheit der Amerikaner zwar gegen die Gesundheitsreform ist, die Haushaltssperre aber dennoch für falsch hält, gibt immerhin Anlass zur Hoffnung, dass sich der Kongress noch vor Monatsende einigen könnte.

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