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Kultur: Sie machen Musik, da geht uns der Hut hoch

KLASSIK

Hut ab vor der Werkauswahl: Das Programm, das David Zinman mit den Berliner Philharmonikern beim vorletzten Saisonkonzert in der ausverkauften Philharmonie präsentierte, bestach nicht nur durch Korrespondenzen zwischen den Stücken, sondern respektierte auch die alte Theater-Weisheit, dass auf einen Akt in geschlossenen Räumen stets einer im Freien folgen möge. Die ersten beiden Szenen spielten sich in einem virtuellen Prunkpalast frühsowjetischer Bauart ab: Zunächst tanzte in John Adams’ „The Chairman Dances“ eine biegsame junge Dame Foxtrott mit Parteichef Mao Zedong. Zinman dirigierte diesen Ausschnitt aus Adams Oper „Nixon in China“ geradezu filmreif – und einige Musiker hatten sichtbar Spaß an den swingenden Spitzfindigkeiten dieser unterhaltsamen minimal music.

Danach ließ sich Yefim Bronfman als wahrhaft großer Vor-(dem-Orchester-)Sitzender in Sergej Prokofjews zweitem Klavierkonzert feiern, prankte kraftvoll über die Klaviatur, prunkte mit dissonanzenseliger Virtuosität. Weil auch Zinman mit dem Orchester ganz aufs Rhythmische abhob, entstanden interessante Verbindungslinien zwischen Prokofjews mondänem Expressionismus von 1913 und Adams fast 70 Jahre später entstandenem Opus.

Nach der Pause trat man dann, wieder virtuell natürlich, hinaus auf einen hoch gelegenen Balkon, von dem aus sich der Ärmelkanal aus britischer wie französischer Sicht betrachten ließ: Bei Brittens „Sea Interludes“ und Debussys „La mer“ funktionierte Zinmans effektorientierter Zugriff jedoch nicht vollständig. Natürlich spielten die Philharmoniker perfekt, doch viele Details gerieten gerade bei Debussys fein gewobenem Klanggebilde zu laut und grob. Weshalb dann auch mancher beim Schlussapplaus den Hut in der Hand behielt.

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