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Kultur: Sieben im Magazin

Vor der Uraufführung: Jonathan Safran Foer über sein Libretto für die Berliner Staatsoper

Herr Foer, am heutigen Mittwoch findet in der Staatsoper eine ungewöhnliche Uraufführung statt, „Seven Attempted Escapes From Silence“. Das Libretto stammt von Ihnen, sieben Komponisten haben den Text vertont. Sind Sie ein Opernfan?

Um ehrlich zu sein: Ich bin in meinem Leben nicht sehr oft in der Oper gewesen. Meistens war das auf Reisen – in New York ist es einfach zu teuer.

Dann war es sicher eine Überraschung, als die Berliner Staatsoper anrief.

In der Tat. Es war sehr früh am Morgen, als das Telefon klingelte und ein Typ mit sehr starkem deutschen Akzent ohne jede Umschweife fragte: Wollen Sie für uns ein Libretto schreiben? Es war Jörn Weisbrodt, der Assistent des Intendanten Peter Mussbach. Sein Plan war, dass sieben verschiedene Komponisten immer denselben Text vertonen sollten. Bald erschien uns das aber zu langweilig, und so habe ich ein Stück in sieben Kapiteln entwickelt.

Im vergangenen Herbst waren Sie erstmals in Berlin.

Ja, um das Bühnenbild-Lager der Staatsoper zu besichtigen, wo die Inszenierung gezeigt wird. Dieses Magazin ist ein unglaublicher Ort, sehr inspirierend – als ich da stand, habe ich sofort meine Ursprungsidee über Bord geworfen.

Wie lautete die denn?

Eigentlich wollte ich eine sehr schwarze Komödie über Berliner Mülltonnen schreiben. Aber für diesen Ort braucht man einfach etwas Kafkaeskes.

Fiel Ihnen das Schreiben schwer?

Wenn man etwas zum ersten Mal macht, ist es schwer und aufregend zugleich, weil man ein neues Terrain erobert. Ich wollte einen Text schreiben, der den Komponisten alle Möglichkeiten zur Interpretation lässt.

Merkwürdig, beim Lesen des Librettos hatte ich den gegenteiligen Eindruck: Alles schien mir bis ins letzte Detail festgelegt, sogar die Art der Musik, die erklingen soll.

Was die Komposition betrifft, begnüge ich mich mit Angaben wie ,die Person versucht, Ärger auszudrücken’, aber ich lege ihr keine Worte in den Mund, definiere nicht, ob hier ein Mann oder eine Frau singt. Ich gebe nur die Art der Emotion vor. Was die Bühne betrifft, habe ich allerdings recht genaue Vorstellungen von dem, wie ich es haben will.

Da bleibt den sieben Regisseuren der sieben Kapitel wenig Spielraum.

Keiner muss auf das hören, was ich da aufgeschrieben habe! (lacht) Aber ich hatte vor dem inneren Auge bestimmte Bilder. Oper ist nun einmal mehr als nur Worte und Musik, darum habe ich auch Kostüme und Bühnenbild gleich mitbedacht – eben als Gesamtkunstwerk.

Oper ist immer ein Teamworkprozess. Im Roman haben Sie dagegen die Freiheit, alles ganz alleine festzulegen.

In der Oper gibt es auch Freiheit, aber es ist eine andere Art von Freiheit. Im Roman hängt alles von der Vorstellungskraft des Lesers ab: Schreiben Sie das Wort ,Baum’, dann hat jeder Leser seine eigene Vorstellung von diesem Baum. In der Oper kann ich nicht nur den Sänger über einen Baum singen lassen, sondern ihn auch noch auf die Bühne stellen, an einen ganz bestimmten Platz. Das fand ich spannend.

Sie kommen erst zur Premiere nach Berlin.

Es ist wie eine arrangierte Hochzeit: Sie lernen die Person, mit der Sie den Rest Ihres Lebens verbringen sollen, am Traualtar kennen. Ich weiß überhaupt nicht, was mich erwartet – das ist doch aufregend!

Das Gespräch führte Frederik Hanssen.

Jonathan Safran Foer gilt seit seinem Debütroman Alles ist erleuchtet (2002) als Shootingstar des US-Literaturbetriebs. Seit drei Wochen liegt sein zweiter Roman Extrem laut und unglaublich nah auf Deutsch vor. Foer lebt in Brooklyn.

Am 16.9. liest der 28-Jährige aus seinem neuen Roman im Magazin-Gebäude der Staatsoper. Am 17.9. diskutiert er über sein Libretto im Haus der Berliner Festspiele.

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