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Kultur: So groß ist der Mond

Vor vier Jahren schwärmte ein Londoner Bekannter heftig von einem Film, der dort gerade zu sehen war."Sonatine" hieß er und sollte ein Gangster-, ein Yakuzafilm sein: Bandenkämpfe, Waffen und Autos, aber ganz und gar ungewöhnlich und speziell.

Vor vier Jahren schwärmte ein Londoner Bekannter heftig von einem Film, der dort gerade zu sehen war."Sonatine" hieß er und sollte ein Gangster-, ein Yakuzafilm sein: Bandenkämpfe, Waffen und Autos, aber ganz und gar ungewöhnlich und speziell.Irgendwann bekam ich den letzten Teil des Films zufällig nachts im Fernsehen zu sehen.Ein rätselhaftes, faszinierendes Fragment.

Bis vor zwei Jahren etwa war der Name Takeshi Kitano in Deutschland nur Filmfreaks und Japanspezialisten ein Begriff.Dann, 1997, bekam Kitano für "Hana-Bi".in Venedig den Goldenen Löwen.Ein halbes Jahr später kam "Hana-Bi" auch bei uns in die Kinos.Die Kritik überschlug sich vor Begeisterung und Ehrfurcht: von "Meditation", "reiner Poesie", der "Essenz des Kinos" und ähnlichen Dingen war die Rede.Ein neuer Kultregisseur war spät geboren und wir konnten endlich alles, alles über diesen Kitano erfahren.Das er in Japan schon seit 1981 Radio- und Fernsehshows produziert und unter dem Namen "Beat Takeshi" als Komiker auftritt.Daß er auch schreibt: Romane, Kolumnen, Essays, Lyrik.Daß er gegen das Mittelmaß und das Schweigen in der japanischen Gesellschaft die Stimme erhebt.Daß der Kämpfer für die Underdogs dabei ein herber Macho ist, der in seiner Firma keine Frauen beschäftigt.Und daß er im August 1994 einen schweren Motorradunfall hatte.

Körperlich hat Kitano von diesem Unfall eine Teillähmung davongetragen und ein Blinzeln, das sein teigig-verschlossenes Gesicht noch undurchdringlicher macht.Seelisch hat er sich dem Tod, der als Fakt und als Bedrohung, als Mord und als Selbstmord, immer schon in seinen Filmen präsent war, bewußter und offensiver zugewandt.Das und auch anderes läßt sich ablesen an den zwei früheren Kitano-Filmen, die der junge, auf asiatisches Kino spezialisierte "rapideyemovies"-Verleih nun in untertitelten Versionen ins Kino bringt.Einer davon ist "Sonatine", der andere Kitanos erste Regiearbeit, "Violent Cop".Beides höchst sehenswerte Filme, und eine vorzügliche Grundlage, die Entwickung, die sich zwischen ihnen vollzogen hat, zu studieren.So erzählt "Violent Cop" (1989), bei dem der Schauspieler Kitano eher zufällig an seine erste Regie kam und wo also Buch und Crew vorgegeben waren, eine eigentlich recht konventionelle Krimigeschichte um die Aufdeckung eines Korruptionsfalls im Polizeikorps.Takeshi gibt hier den harten, desillusionierten Cop.Der "violent cop" ist ein gewalttätiger, mehr aber noch ein müder Mann.Und auch die Naration driftet statt von Actionpunkt zu Actionpunkt eher zwischen den Ereignissen entlang, bis sie in einem klassischen Showdown ihr Ende findet.

In "Sonatine" (1993), zu dem Kitano auch das Drehbuch geschrieben hat, kommt die Erzählung fast zum Erliegen, und das Spiel mit Form und Zeit wird wichtiger als die Story selbst.Es geht um Bandenkriege.Der Held also ist ein Yakuza statt ein Bulle, aber das macht kaum einen Unterschied.Denn auch er ist ein todmüder Killer.Der Film zeigt die unausgesetzte Bewegung als Stillstand: Wie sich Yakuza-Gangster auf Zwangsurlaub in Okinawa die Zeit vertreiben und dabei zu Kindern werden."Sonatine" läßt seine Helden das Leben nachspielen: Fallen legen, Russisch Roulette, nachgestelltes Yumoringen in einem auf den Strand gekratzten Zirkel vor dem Meer.

Das Meer ist überall präsent in diesen Filmen, so wie der überübergroße Mond, die geraden Landstraßen und die Frauen.Die kommen in Kitanos Filmen nur als Staffage vor.In "Sonatine" gibt es ein vergewaltigtes Mädchen, das eine Affektion für den Helden, der sie gerettet hat, entwickelt.In "Violent Cop" ist es die Schwester des Helden, ein psychopathisches junges Ding, auch sie mehr hübsch als klug, auch sie wird vergewaltigt, auch sie vom Helden beschützt.

Nein, als Rollenbilder eignen sich diese Filme nicht.Es sind Männerfilme, die allerdings auch nicht vorgeben, anderes zu sein.Er wolle "Befriedigung" erfahren aus seinen Filmen, nicht "Bedauern", hat Kitano einmal gesagt.Es ist diese selbstmitleidslose Geste, die den Filmen ihre Freiheit gibt.Eine Freiheit, die ihren schönsten Ausdruck in der scheinbaren Unbekümmertheit der ästhetischen Form findet: Die Spiegelung von Autoscheinwerfern in der Kamera wird als Effekt genutzt.Oder Wie die Kamera seinen Helden immer wieder die Köpfe abschneidet: Das natürlichste auf der Welt, ganz ohne Attitüde.Nichts, auch die Gewalt nicht, wird hier zelebriert.Das macht Kitanos Filme noch lakonischer, aber auch sehr schön.

Sonatine: Filmbühne am Steinplatz, Violent Cop: Central

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