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So kann’s gehen: Darf ich nach dem Beruf fragen?

Wenn ich neue Leute kennen lerne, interessiert mich immer am meisten, was sie beruflich machen. Früher habe ich auf Partys nach kurzer Bekanntschaft ganz unbefangen danach gefragt.

Wenn ich neue Leute kennen lerne, interessiert mich immer am meisten, was sie beruflich machen. Früher habe ich auf Partys nach kurzer Bekanntschaft ganz unbefangen danach gefragt. Vor einiger Zeit aber hat mich mal ein Gesprächspartner richtig beschimpft und gesagt, solche Fragen seien ein Ausweis schlechten Benehmens. Was meinen Sie?

Ihre Neugier ist verständlich. Mutmaßungen über die Berufe der Nachbarn, zum Beispiel am Strand oder im Restaurant, sind der Stoff, aus dem Literatur werden kann. Warum bleibt es so oft bei Mutmaßungen? Weil es viele Menschen gibt, die in der Freizeit nicht an ihren Beruf erinnert werden möchten. Vielleicht wollen sie sich mal von einem Rollenklischee befreien und ganz jemand anderes sein. Manche Berufsgruppen machen besonders häufig schlechte Erfahrungen. Wenn etwa die Antwort auf die Frage nach dem Beruf lautet: „Ich bin Orthopäde“, könnte das lange Leidensgeschichten inklusive Fragen nach Gratisrat zur Folge haben. Eine Ärztin erzählte mir von einem habilitierten Kollegen, der als Kapazität auf seinem Gebiet einschlägige Erfahrungen gesammelt hatte. Im Urlaub sagte er auf die Frage nach seinem Beruf deshalb grundsätzlich: „Ich bin Tankwart in Castrop-Rauxel, und meine Frau macht die Kasse.“

In Amerika ist es völlig in Ordnung, relativ rasch nach dem Beruf zu fragen. Man möchte wissen, mit wem man es zu tun hat und keine Zeit verschwenden mit zu viel Drumherum-Gerede. Hierzulande herrscht da noch Skepsis. Am besten wird es also sein, sich dem Thema mit Sensibilität zu nähern. Sie könnten erzählen, was Sie selber machen und dann fragen, ob der Gesprächspartner einen eigenen beruflichen Bezug zu diesem Thema hat. Antwortet er mit einem schlichten „Nein“, sollten Sie nicht weiter in ihn dringen. Damit hat er klargemacht, dass er Ihnen seinen Beruf noch nicht verraten möchte.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an:

meinefrage@tagesspiegel.de

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