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So kann’s gehen: Darf man die Zeitung weiterreichen?

Jeden Tag erhalten wir eine Zeitung, die wir innerhalb der Familie ausführlich lesen. Unsere Nachbarn bekommen ebenfalls eine Zeitung und geben sie im Laufe des Tages an andere Nachbarn weiter, die sie weder gekauft noch abonniert haben.

Jeden Tag erhalten wir eine Zeitung, die wir innerhalb der Familie ausführlich lesen. Unsere Nachbarn bekommen ebenfalls eine Zeitung und geben sie im Laufe des Tages an andere Nachbarn weiter, die sie weder gekauft noch abonniert haben. Ist diese Art der Weitergabe nicht unehrlich und unmoralisch?

Vielleicht erwarten Sie von mir ein klares „Ja“ als Antwort, weil man es als Zeitungsfrau natürlich gut finden muss, wenn so viele Exemplare wie möglich verkauft werden. In der U-Bahn zum Beispiel ist es ja auch so, dass man Fahrscheine nicht einfach weitergeben darf. Mit einer Zeitung, die man gekauft hat, verhält es sich freilich anders als mit einer Dienstleistung, die man nur für sich selbst in Anspruch nehmen darf. Sie gehört einem, und man kann damit machen, was man will. Es ist doch eine nette Geste, eine Zeitung oder eine Zeitschrift weiterzuverschenken. Was soll daran unmoralisch sein? Vielleicht würden die Nachbarn sonst gar keine Zeitung lesen, und das wäre wirklich schade. Es kann sogar im Gegenteil so sein, dass sie durch das geschenkte Exemplar erst richtig Appetit bekommen auf regelmäßige tägliche Lektüre und am Ende selber ein Abonnement erwerben. Schließlich macht es doch mehr Spaß, schon zum Frühstück durch eine frische, saubere Zeitung zu blättern. Insofern würde ich denken, dass die Nachbarn eher etwas Gutes tun.

Wer weiß, wie viel Arbeit und Herzblut in so einer Zeitung steckt, kann sich nur freuen, wenn sie einen möglichst langen Weg vor sich hat, bevor sie im Papierkorb landet. Normalerweise ist es den Leuten zu mühsam, etwas weiterzugeben, oder auch peinlich. Aber manchmal lohnt die Mühe eben, und man öffnet anderen ein Tor in eine Welt, die den Horizont weitet und die Lebensqualität erhöht. Dazu passt der Wunsch, mit dem eine nette Kollegin ihre letzte Mail vor dem Wochenende zeichnete: Geistreiche Pfingsten!

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an:

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