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Kultur: So viel Toleranz geht auf keine Dickhaut

Karl der Große schickte um 800 drei Gesandte nach Bagdad. Einer kehrte mit einem Geschenk des Kalifen zurück: einem Elefanten. Eine Aachener Ausstellung erinnert an die Reise

Drei Heilige aus dem Morgenland waren es, die mit Gold, Myrrhe und Weihrauch durch den Orient reisten. Die Wallfahrt nach Bethlehem fand Nachahmer: Knapp 800 Jahre später machen sich drei andere Männer auf den Weg gen Nahost. Die fränkischen Gesandten Landfried und Sigismund und der jüdische Kaufmann Isaak reisen im Auftrag von Karl dem Großen, den Herrscher-Kollegen in Bagdad zu besuchen. Zwar kehrt nach fünf Jahren nur einer lebend von seiner Mission nach Aachen zurück, aber der hat ein exotisches Geschenk dabei: einen weißen indischen Elefanten.

Humor muss Kalif Harun al-Rashid besessen haben, denn er gab diesem Elefanten den Namen Abul Abbas, ausgerechnet nach dem Begründer seines abbassidischen Herrscherhauses. Für die Aachener muss der Einzug Isaaks an der Seite des Elefanten ein ebenso befremdlicher wie faszinierender Anblick gewesen sein.

Dieser Kaufmann Isaak war der wohl erste im deutschsprachigen Raum erwähnte Jude. Er war von Bagdad über Jerusalem und dann über die nordafrikanische Küste und Italien wieder nach Aachen gekommen, hatte auf seiner Reise mit Christen, Juden und Muslimen gesprochen. Die fantastische, von den meisten Historikern verbürgte Geschichte ist der Ausgangspunkt der Aachener Ausstellung „Ex oriente – Isaak und der weiße Elefant“. Das ehrgeizige Projekt lädt ein zu einer Zeitreise in die Vergangenheit Bagdads, Jerusalems und Aachens. Die drei Orte werden symbolisch im Aachener Dom, dem Kreuzgang und der Domschatzkammer sowie im Krönungssaal im Rathaus vorgestellt.

Die über 500 Exponate sind Leihgaben aus aller Welt. Die Verbindungen der Ausstellungsmacher nach Jerusalem waren gut, sowohl alte als auch zeitgenössische Objekte kamen von dort nach Aachen. Andererseits ist der Kontakt mit Bagdad trotz Einschaltung aller diplomatischen Kanäle nicht gelungen, weil die Bemühungen in die schwierigste Zeit der Irak-Krise fielen. Die wesentlichen Exponate kommen ohnehin alle aus europäischen Museen. Darunter ist der steinerne Türsturz einer syrischen Kirche mit einer Inschrift in arabischer, griechischer und hebräischer Sprache, die besagt, dass dies ein Heiligtum ist. Der Satz steht für das friedliche Nebeneinander der drei Kulturen in Jerusalem nach der islamischen Eroberung.

Die Ausstellung zeigt, dass ein Herrscher wie Harun al Rashid weitsichtiger war als viele Staatsmänner der heutigen Zeit. Statt Kriege gegen Ungläubige zu führen, machte er mit ihnen lieber Geschäfte. Das kam beiden Seiten zugute. Dennoch geht es in Aachen nicht darum, das Bild einer heilen Welt zu entwerfen, die nur so heil ist, weil sie so lange vergangen ist. Und was heißt Ex oriente heute? Der zeitgenössische Aspekt war für Adam C. Oellers, kommissarischer Direktor der Aachener Museen und einer von drei Kuratoren, immer präsent, weil die Ausstellung drei Kulturen nebeneinander stellt, deren Konfliktgeschichte noch nicht vorbei ist. Die Arbeiten von Künstlern wie Barnett Newman, Shirin Neshat, Micha Ullman und Kamal Boullata kreisen um die Auseinandersetzung zwischen dem technisierten Westen und dem spirituell denkenden Osten. Natürlich ist dieser Gegensatz durch den Golfkrieg noch einmal potenziert worden, aber die Wurzeln des Konflikts reichen Jahrhunderte zurück.

Bemerkenswert ist die Schau durch ihre Zusammenstellung aus Alt und Neu. Schließlich geht es auch um die unmittelbare deutsche Vergangenheit. Auf einer Wand-Installation wird beispielsweise die Frage beantwortet, was mit den Nachkommen Isaaks gewesen wäre, wenn sie in unserer modernen Gesellschaft im 20. Jahrhundert in Deutschland gelebt hätten. Dazu gibt es entsprechende Akten aus Aachen zu sehen. Wolfgang Dreßen, Düsseldorfer Politologe und Initiator von „Ex oriente“, möchte damit einen Anstoß geben, um über einzelne Aspekte der Geschichte des Nahostkonflikts nachzudenken.

Die Ausstellung spannt einen geografischen Bogen über die Region, die wir heute den Nahen Osten nennen. Allein die Wahl des Blickwinkels ist einzigartig, womit wir wieder bei dem königlichen Geschenk des Kalifen für Kaiser Karl wären, dem weißen indischen Elefanten. Dem Abbassiden-Kalifen ging es um einen Pakt mit dem fränkischen Herrscher gegen seinen muslimischen Rivalen, den Emir von Cordoba. Karls Gegengeschenk, ein Rudel friesischer Hunde, wird Haruns Hof wenig begeistert haben. Hunde gelten bei Muslimen als unrein. Vielleicht war das ein Grund dafür, dass die Gesandtschaft aus dem fernen Franken-Städtchen in keiner arabischen Quelle erwähnt wurde.

Ex oriente – Isaak und der weiße Elefant, Krönungssaal des Rathauses, Aachener Dom und Domschatzkammer, bis 28. Sepember.

Michael Briefs

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