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Pinke Skulptur von Emma Watson.

© Galerie Baudach / Roman März

Soloschau von Yves Scherer in Berlin: Ein bisschen Glamour für Emma Watson

Ventilatoren, Fell und ein Teppich: Der Schweizer Yves Scherer treibt in seiner ersten Soloschau in der Galerie Guido W. Baudach ein Spiel mit Celebrities. Der Bildhauer Georg Kolbe stand ihm dabei Pate.

Die Schweiz sei „auf eine geradezu rührende Weise unfähig gewesen, in den letzten 722 Jahren irgendetwas Glamouröseres als Liselotte Pulver und Ursula Andress hervorzubringen“, schrieb einmal der „Zürcher Tages-Anzeiger“. Yves Scherer kommt aus Solothurn in der Schweiz. Er hat in London studiert und wohnt mittlerweile in Berlin. Der Künstler führt persönlich durch seine Ausstellung „Closer“, benannt nach der gleichnamigen Glamour-Zeitschrift.

In jenem Artikel werden die Schweizer auch als „nüchtern“ beschrieben. Apodiktische Aussagen sind Yves Scherers Sache nicht. Auf die Frage, warum die von ihm mit blauem Filzstift auf eine nackte, unschuldig weiße Gipsskulptur von Emma Watson (6000 €) geschriebene – und natürlich gefakte – Emma-Watson-Signatur so verwischt ist, denkt er kurz darüber nach. Dann fragt er zurück, ob man es anders besser gefunden hätte, um kurz darauf laut zu überlegen, dass es wohl eine „formale“ Entscheidung gewesen sei.

Wieso überhaupt Emma Watson? Yves Scherer, Jahrgang 1987, gehört nicht zu den Künstlern, die immer schon um ihre Bestimmung wussten. Das kam erst vor vier, fünf Jahren. Damals entstanden seine ersten Skulpturen, und dann erst hat sich der studierte Kulturwissenschaftler zu seinem nächsten Studium in der Skulpturenklasse des Londoner Royal College of Art entschieden. Den Kontakt zu seiner Freundin in Berlin hat er vor allem über Skype gehalten. Es könne gut sein, dass sein Interesse am Digitalen, an digitalen Bildern, an digitaler Bildhauerei mit dieser Erfahrung zu tun habe, so Scherer. Aber wieso Emma Watson, die Schauspielerin und Darstellerin der Hermine Granger aus der Harry-Potter-Verfilmung? Emma Watson kennt man natürlich auch in Solothurn und in Berlin. Sie ist hier aber nicht wie in Großbritannien das glamouröse Celebrity-Geschöpf, größte Obsession stalkender britischer Boulevard-Medien.

Ob Emma Watson weiß, dass sie Scherers Muse ist?

Die Schauspielerin Emma Watson besteht bei Yves Scherer im Kern.
Fake it: Die Schauspielerin Emma Watson besteht bei Yves Scherer im Kern.

© Galerie Baudach / Roman März

Es ist Scherers erste Einzelausstellung bei Guido W. Baudach im ehemaligen Tagesspiegel-Gebäude in der Potsdamer Straße. Zehn Gehminuten entfernt, im Postbahnhof Luckenwalder Straße, während der Kunstmesse art berlin contemporary (abc) vor drei Monaten, war die verkupferte Emma Watson vielen Besuchern aufgefallen. Ohne Podest, fern jeder Galeriekoje, stand sie da lebensgroß mitten im Raum. In Kupfer gibt es sie drei Mal. die beiden anderen Kupfer-Emmas sind nun Teil der Galerieausstellung. Ganz anders inszeniert. Die eine Version befindet sich gleich zu Beginn des Parcours auf einem kleinen Podest aus grünem Kunststein (9000 Euro). Sie ist aus dem Zentrum nach links versetzt und steht inmitten einer rechtwinkligen Aussparung des eigens drum herum verlegten Teppichbodens.

Drei künstliche Seerosen sind über die Aussparung verteilt. Emma Watson ist hier inszeniert wie einst Georg Kolbes weibliche Bronzeskulptur „Der Morgen“ im Wasserbecken von Mies van der Rohes Barcelona-Pavillon. Nur wurde das Becken im Außenbereich des eingeschossigen Pavillons als Loch im Teppich eines Raums im zweiten Stock des Tagesspiegel-Turms rekonstruiert. Das Fake ist hier offensichtlicher als die Kupferpatina der Emma, die sich in einem Innenraum auf diese Weise nie gebildet hätte, zumal in der kurzen Zeit.

Die Skulptur selbst ist nicht annähernd so gewichtig, wie es die Kupferästhetik suggeriert, die von einer hauchdünnen Beschichtung auf einem CNC-gefrästen Kunststoffkorpus herrührt. Bei genauem Hinsehen – Scherer tritt in sein vermeintliches Wasserbecken à la Mies und deutet auf Emmas Wange – sind die charakteristischen Spuren der Fräse erkennbar. Wer genauer hinschaut, entdeckt auch, dass die Skulptur aus mehreren Einzelteilen besteht. Von der Kupfer-Emma wurde die Negativform für die gegossene Gips-Emma mit der verwischten Emma-Watson-Signatur abgenommen.

Yves Scherer verschränkt die digitale Welt mit der Bildhauerei

Yves Scherer ist mit Emma Watson groß geworden – mit ihr in der Rolle der heranwachsenden Hermine Granger in den „Harry Potter“-Verfilmungen. Heute wirbt die Schauspielerin als UN-Sonderbotschafterin für Frauen- und Mädchenrechte. Sie besitzt Celebrity-Status, aber anders als etwa Paris Hilton. Von den Paparazzi wird sie trotzdem (oder gerade deshalb) nicht verschont. Während der Dauer der Ausstellung lässt sich auf der Homepage der Galerie ausschließlich der Inhalt einer CD-Rom mit Paparazzi-Fotos von Emma Watson angucken (und herunterladen): eine immer noch ziemlich kindlich aussehende Schauspielerin in Alltagskleidung oder Abendgarderobe. Allein oder mit Begleiter. Pizza vom Pappteller mampfend oder Autogramme schreibend. Ziemlich belanglos das alles. Eigentlich. Die CD hat Yves Scherer bei Ebay ersteigert.

Seine Kunst kostet bei Guido W. Baudach zwischen 1000 Euro (für kleine Tintenstrahldrucke und Kugelschreiberzeichnungen) und 10 000 Euro für Kupfer-Emma Nummer drei mit eigener Behausung: eine hölzerne Transportkiste, samt LED-Leuchten, Ventilator und Fell. Das Fell, archaisch anmutend und ein beliebtes Material bei Designern der Moderne – Yves Scherer nennt Eileen Gray – wiederholt sich in den Arbeiten des Künstlers wie der Ventilator und sein blasender Sound. Ebenso Emma Watson. Es gibt die Gips-Version der Skulptur insgesamt dreimal (je 6000 Euro), auch weniger unschuldig in Pink oder mit smokey eyes. Darüber hinaus: bedruckte Vorhänge (3000 und 6000 €), die als Topos ebenso für das „Häusliche“ stehen wie die mit Make-up, Marker und Melkfett bearbeiteten Tatami-Matten hinter Acrylglas (6000 €). Ferner: Digitaldrucke von Paparazzi-Fotos mit Macaulay Culkin, Kristen Stewart, Britney Spears, Leonardo DiCaprio oder Paris Hilton. „Celebrities Smoking“: Sie alle rauchen, so wie eine Freundin Yves Scherers, die er an diversen Berliner Orten in Paparazzo-Manier gefilmt hat. Bleibt immer noch die Frage: Wieso Emma Watson?

Scherer interessieren die Sphären von analog und digital, innen und außen, privat und öffentlich, echt und falsch. Gossip, Klatsch als solcher tangiere ihn nicht, erklärt der nüchterne Schweizer. Emma Watson eigentlich auch nicht. Sagt er, zuerst. Die Emma Watson jenseits der öffentlichen Person. Die Glamour-Emma. Seine Kunstfigur. Kennenlernen war deshalb auch keine Option. Emma Watson weiß, soweit Yves Scherer Kenntnis hat, nicht einmal von ihrer Hauptrolle in seiner Kunst. Allerdings – schließlich hat er in London studiert. Er kennt in London jemanden, der jemanden kennt, der Emma Watson kennt. Wieso also nicht?

Yves Scherer denkt derzeit doch noch einmal darüber nach, ob er sich nicht bei Emma Watson melden sollte.

Galerie Guido W. Baudach, Potsdamer Straße 85; bis 10. Januar 2015, Di bis Sa 11–18 Uhr.

Jens Müller

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