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Kultur: Späte Heimkehr

Geprächskonzert mit Musik von Edwin Geist

Zürich, Berlin, Kaunas könnten die Stationen einer Karriere bezeichnen. Für den 1902 geborenen „Halbjuden“ Edwin Geist bedeuteten sie hoffnungsvolle Anfänge, früh zerstörte Begabung und Tod im litauischen Ghetto. Ein fragmentarisches, doch eindrucksvolles Vokalschaffen indessen fördert die Initiative „musica reanimata“ im Musikclub des Konzerthauses zutage. „Drei Lieder für Bariton und Violine“ (1928) bezeugen in kühnen, von David Pichlmaier und Kolja Lessing intensiv ausgekosteten Intervallsprüngen melodischen Erfindungsreichtum. Zwei Gesänge aus „Die Heimkehr des Dionysos“ (1934-38) belegen jene Einheit von Wort und Ton, die der doppelt begabte Edwin Geist „wie in einer guten Ehe“ postulierte. Verena Rein (Sopran) und Anita Keller (Klavier) geben „Drei litauischen Liedern“ (1939) eine dramatische Kraft, die die schwergängige Harmonik noch wuchtiger erscheinen lässt.

Im Gespräch mit Geist-Entdecker Reinhard Kaiser verortet Lessing diesen Stil zwischen Zwölftönigkeit und neoklassisch oder folkloristisch gefärbter „Spielmusik“. Gern hätte man mehr über die musikalischen Hintergründe erfahren. Doch die meisten Quellen sind vernichtet; Kaiser erzählt die Geschichte der Rettung der Manuskripte im Koffer eines litauischen Geigers. Vor allem aber wird das faszinierte Publikum Zeuge eines bewegenden Schicksals – die Wunden der nationalsozialistischen Barbarei lässt dieser Abend schmerzhaft spüren.

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