zum Hauptinhalt

Kultur: Spaß an der Angst

Sie lebt in Pankow und liebt Horrorfilme. Jetzt hat Alex Schmidt in ihrer Wohnung selbst einen gedreht: „Du hast es versprochen“.

Hiddensee ist eine ruhige Insel. Hier schieben sich nur ein paar Kutschen durch die Straßen, der Strand fühlt sich weich unter den Füßen an, die Gräser der Dünen wiegen sich im Wind und die Wälder liegen schön schattig im Sommer. Was für die meisten eine herrliche Inselidylle ist, war für Regisseurin Alex Schmidt die Inspirationsquelle für ihr Spielfilmdebüt – einen Horrorstreifen.

Nachdem die Berlinerin viele Urlaube auf der Insel verbracht hatte, kam sie zu dem Schluss, dass sich hinter dem Schönen etwas Unheimliches versteckt: „Die Wälder da sind gruselig, die Bäume sind schief und knarzen nachts.“ Auch die Bewohner seien ein ganz eigenes Volk. Die Regisseurin sitzt in ihrer Berliner Arbeitswohnung und erzählt die Geschichte, die hinter dem Film „Du hast es versprochen“ steckt. Ein langjähriges Projekt, das noch vor dem offiziellen Kinostart seinen bisherigen Höhepunkt hatte, als der Film als einziger deutscher Beitrag zu den diesjährigen Filmfestspielen in Venedig eingeladen wurde. Die Zeit dort beschreibt sie als „einen Rausch“.

Während Alex Schmidt spricht, zündet sie sich eine Zigarette an und öffnet das Fenster ein bisschen. Vor der Haustür zum kleinen Plattenbau in Pankow ist es eisig kalt. In der Lagune sind sie und ihr Team dagegen in Flipflops und mit Kamera herumgelaufen, um Robert Redford zu fotografieren. Auch ist es weniger glamourös hier: Die Filmemacherin und ihre Kollegen müssen schauen, wie sie über die Runden kommen, haben während der Filmproduktion teilweise von Hartz IV gelebt. In Venedig warteten der rote Teppich und ein Fünf-Sterne-Hotel auf sie, in das sie nicht recht zu passen schienen. „Die wollten uns drei Mal rausschmeißen,“ erzählt die 34-Jährige belustigt.

Schmidt ist so die Art nettes Mädchen von nebenan. Mit ihren dunklen, langen Haaren und der dezenten Kleidung fällt sie kaum auf. Ihr Debütfilm dafür umso mehr: ein deutscher Psychothriller, der mit klassischen Gruselmomenten im Keller, stakkatoartigen Angstvisionen und dem Einsatz einer Axt nicht geizt.

Was einige Kritiker dem Film vorwerfen, sieht die Regisseurin nicht als Nachteil: „Ich mag Klischees.“ Nur dieses eine nicht: dass in Horrorfilmen immer die „blonde, halb bekleidete Dame“ dem Horror zum Opfer fällt und generell auch kaum Geschichten von Frauenfreundschaften erzählt würden. Ein guter Horrorfilm braucht eine starke Person, um die man Angst hat.

„Du hast es versprochen“ ist die Geschichte von zwei Freundinnen, die sich nach vielen Jahren zufällig wieder begegnen. Clarissa, gespielt von Laura de Boer, hat sich eine Überdosis Schlaftabletten eingeflößt. Die Ärztin Hannah, gespielt von Mina Tander, kommt von einem verkorksten Candle-Light-Dinner mit ihrem untreuen Ehemann zur Schicht ins Krankenhaus, wo sie Clarissa trifft. Sie beschließen, mit Hannahs Tochter Urlaub auf der Insel zu machen, auf der sie als kleine Mädchen immer zusammen gespielt haben. Und Stück für Stück wird aus einer Erholungskur ein Psychotrip. Es ist ein handwerklich gut gemachter Film, eine Art besonders düsterer Wallander. Von der Einschätzung der FSK fühlt Alex Schmidt sich geehrt: „Die über den gesamten Verlauf des Films erzeugte und konstant über allem schwebende Angst ist von einer großen Intensität“ – frei ab 16 Jahren.

Als Alex Schmidt ihre Leidenschaft für das Horrorgenre entdeckte, war sie selbst noch sehr jung. Sie las „Es“ von Stephen King und verschlang danach alle seine Bücher. Die Filme schaute sie auch. Nicht zu viel Grusel für ein Mädchen? „Ich hatte schon Angst, aber ich hatte auch Spaß an der Angst.“ Der Spaß ist ihr bis heute geblieben. Zusammen mit drei Freunden schaut sie regelmäßig Horrorfilme und Psychothriller an. Mit diesen Freunden teilt sie sich auch die Arbeitswohnung. Hier ist „Du hast es versprochen“ entstanden. Im Wohnzimmer, in dem heute ein Tisch mit ein paar Weihnachtsplätzchen steht, haben bis vor kurzem noch der Komponist Marian Lux und der Sounddesigner Benjamin Krbetschek an den typischen Klängen gearbeitet, die den Zuschauern sagen: Ohne Taschenlampe in den Keller gehen ist keine gute Idee.

In der Küche lehnt hinter dem orangenen Sofa noch eine Matratze für eventuelle Nachtschichten. Der kleine Schreibtisch neben der Spüle, an dem die Regisseurin jetzt sitzt, war auch der Ort, an dem sie zusammen mit ihrem Koautor und besten Freund Valentin Mereutza das Drehbuch für ihr Debüt geschrieben hat. Darüber hängen Fotos, Erinnerungen an gemeinsame Ausflüge. Die Wohnung ist eng, aber sehr gemütlich und warm. Mit diesen drei Freunden arbeitet die Regisseurin jetzt schon seit zehn Jahren zusammen.

Kennengelernt haben sie sich, als Alex Schmidt an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam Medienwissenschaften studierte. Zuvor hatte sie schon ein halbes Jurastudium und diverse Praktika in Zeitungen, Radio- und Fernsehsendern hinter sich und interessierte sich immer mehr für das Filmemachen. „Ich war keine, die schon mit acht wusste, was sie später mal machen will.“ An der HFF wird ihr Berufswunsch konkreter; sie erfährt vom damaligen Präsidenten der Hochschule, Dieter Wiedemann, Unterstützung und Zuspruch. Noch in Potsdam dreht sie ihre erste Dokumentation. Später folgte der Kurzfilm „Die kleine Giftmischerin“ und ihr Abschlussfilm „Rabenmutter“ an der Hamburg Media School, wo sie anschließend bis 2006 Regie studierte.

Nach einem der rituellen Filmabende schließlich, „The Hills Have Eyes“ stand auf dem Programm, kam die Idee auf, selbst einen Gruselschocker zu machen. Dass sie jetzt immer wieder mit der Frage konfrontiert wird, warum eine Frau einen Horrorfilm dreht, irritiert sie: „Männer wie Til Schweiger, fragt man ja auch nicht, warum er eine Romantic Comedy dreht.“ Auch die Vorstellung, aus Deutschland könne tatsächlich ein guter Psychothriller kommen, muss bei Kritikern und vermutlich auch Zuschauern erst noch Formen annehmen. Eine gelungene Produktion wie „Das Experiment“ ist eher noch eine Ausnahme in der hiesigen Filmlandschaft.

Eine Art Experiment ist „Du hast es versprochen“ auch. Überzeugt hat Alex Schmidt mit ihrem Film bereits ihre Produktionsfirma, das Medienboard für Filmförderung und Schauspieler wie Katharina Thalbach und Max Riemelt, die den Film mit zwei Nebenrollen beehren. Als ausschließliche Horrorfilmregisseurin sieht sich Schmidt allerdings nicht: „Ich mag einfach das Unterhaltungskino.“ Ihr nächstes Projekt soll jedenfalls eine Komödie sein.

„Du hast es versprochen“ läuft im Cinemaxx am Potsdamer Platz und im UCI Colosseum.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false