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SPIEL Sachen: Ein Königreich für einen Konflikt

Christine Wahl über familientherapeutisches Kuscheln

Der Institution Familie kann man ja einiges vorwerfen. Aber dass sie es an Kompliziertheit, Kränkungs- und Ambivalenzpotenzial fehlen ließe, nicht. Die Ehefrau und die Töchter des gerade über eine Edelprostituiertenaffäre gestolperten New Yorker Gouverneurs Eliot Spitzer fragen sich momentan wahrscheinlich ständig, ob sie Teil einer Tragödie oder einer Farce sind.

Dagegen sieht das Familienalbum (heute und morgen, 20 Uhr) bei der Performancegruppe She She Pop im HAU 2 geradezu aufreizend schmerzfrei aus. Motto: Ein Königreich für einen handfesten Konflikt! Hier wird die private Diasammlung, die die Performerinnen an die Wand projizieren, mit Sätzen à la „Da hatte ich mir gerade die Haare lila gefärbt“ oder „Meine Schwester dachte jahrelang, sie sei adoptiert“ ziemlich erbarmungslos entschärft. Berit Stumpf referiert über die eigene Familiengründung mit Kindersitz, Geschirrspüler und Eigentumswohnung fast so schön wie eine weich gespülte Frauenzeitschriftskolumnistin, und zwischendurch kriechen die Performerinnen immer mal wieder mit dem Lied „Maybe I’m Just Like My Mother“ auf den Lippen auf oder unter die Tische.

Dabei gibt es eigentlich viel bessere Gründe zu vermuten, dass sie allesamt nach der Tante kommen. Die ruft nämlich wiederholt in die Runde, „jemanden zum Kuscheln“ zu suchen. Wahrscheinlich ist es ja das: In Wahrheit befinden wir uns in einer gnadenlosen Kuscheltherapie für Menschen, die vor realen Auseinandersetzungen die Regressionsflucht ergreifen. Deshalb behaupten die Performerinnen ihre familiären Niedlichkeiten auch als Archetypen und sprechen ihre Texte nicht selbst, sondern soufflieren sie den an einer U-förmigen Festtafel platzierten Zuschauern. Die werden dann qua Rollenspiel selbst zu Tante, Vati oder Cousine und kuscheln sich in therapeutisch-vollendeter Harmlosigkeit ein. Da hätten sogar ein paar Edelprostituierte am Familientisch noch Platz.

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