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SPIEL Sachen: Ich habe ein gutes Gefühl

Können Musiktherapie oder eine Dokumentation über Walgesänge Gefangene zu „besseren Menschen“ machen? Oder wäre vielleicht doch eher ein Bewerbungstraining die erfolgversprechendste Resozialisierungsmaßnahme?

Können Musiktherapie oder eine Dokumentation über Walgesänge Gefangene zu „besseren Menschen“ machen? Oder wäre vielleicht doch eher ein Bewerbungstraining die erfolgversprechendste Resozialisierungsmaßnahme? Krzysztof Minkowski und Dirk Moras, die Erfinder und Regisseure der Produktion Kuckucksnest im Ballhaus Ost (am heutigen Freitag, 19 Uhr), spielen sämtliche Therapiemodelle durch, die der Zeitgeist hergibt: Fünf Patientinnen – jede auf ihre Weise aus der gesellschaftlichen Norm gefallen – versammeln sich um Doktor Nicolai und lassen dessen Resozialisierungskünste über sich ergehen, vom Medikament bis zum Erbauungsmantra: „Wir singen heute laut, kräftig und mit Disziplin. Ich mache starke Persönlichkeiten aus euch. Ich habe heute ein gutes Gefühl.“ Das Besondere an diesem „Kuckucksnest“ ist, dass es Schauspieler mit inhaftierten Frauen der JVA Pankow und somit zwei komplett unterschiedliche Zugänge zum Bühnensujet zusammenbringt.

Außergewöhnliche Arbeit leistet seit jeher auch das Theater an der Parkaue, indem es dezidiert Regisseure und Arbeitsweisen aus dem „Erwachsenentheater“ für den Nachwuchs zugänglich macht. Statt alles auf eine vermeintlich kindgerechte Ästhetik herunterzukochen, findet sich hier die gesamte Vielfalt vom Einfühlungsdrama bis zur Performance, vom Dokumentar- bis zum choreografischen Theater. Künstler wie Hans-Werner Kroesinger oder Showcase Beat Le Mot haben mit ausgezeichneten Produktionen bewiesen, wie hervorragend dieses Konzept funktioniert. Und so ist auch Bettina bummelt nun für den Ikarus-Preis 2010 nominiert worden, mit dem „herausragende Berliner Inszenierungen für Kinder und Jugendliche“ geehrt werden (Sonnabend 16 Uhr, Montag 10 Uhr, Dienstag 9 und 11 Uhr).

In dem Tanzstück nach dem Kinderbuch von Elizabeth Shaw für Zuschauer ab fünf vertrödelt die Protagonistin Bettina sich auf dem Heimweg nachhaltig, weil ihre alltägliche Route nicht nur am Schaufenster eines Spielzeugladens vorbeiführt, sondern auch an einer Wiese, auf der eine entzückende Katze lebt. Wie besorgt die Mutter zu Hause wartet, wird dem säumigen Kind erst klar, als es kurz darauf selbst daheim die Sekunden zählt: Die Mutter ist ausgegangen, und bis sich endlich der Schlüssel im Wohnungstürschloss dreht, vergeht eine gefühlte Ewigkeit. In dieser Koproduktion mit der Compagnie Two Fish und dem Tanzhaus NRW wird daraus keine maue pädagogische Lektion, sondern eine choreografische Untersuchung der Körpersprache von Müttern und Töchtern. Wie unterscheidet sich unser individuelles Tempo von der Geschwindigkeit der anderen, und wie bringt man das am stressfreiesten in Einklang? Eine Frage, die nicht nur den Nachwuchs interessieren dürfte.

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