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SPIEL Sachen: Ödipus liebt dich

Christine Wahl über die Rückkehr eines missverstandenen Helden

Es gibt ihn noch, den guten alten Ödipus. Und zwar nicht nur als Steilvorlage für eigene, freudianisch inspirierte küchenpsychologische Diagnosen. Im Gastspiel Oedipus loves you des Dubliner Pan Pan Theatre im Hebbel am Ufer (HAU 2, Hallesches Ufer 32, 14./15.12., 19.30 Uhr) erscheint der Tragödienheld, der – als Kind von seinen Eltern ausgesetzt – ahnungslos den eigenen Vater tötet, die Mutter ehelicht und Kinder mit ihr zeugt, sogar recht vital. Als Oberhaupt einer kaputten Mittelschichtsfamilie, die in vorstädtischer Grauzone ihre Brötchen als Rockband verdient, hockt er mit Teenie-Tochter Antigone und Onkel Kreon am Grill und lässt sich vom blinden Seher Theiresias vorausschauend Gruppentherapie verordnen. In einer derart schrägen Mischung aus Soap, Theater, Video, Antiken-Grabung, Freud und Live-Musik wird man den Mythos so schnell nicht wieder zu sehen bekommen.

„Oedipus loves you“ ist Teil des vielversprechenden Festivals Cut & Paste, das das HAU bis zum 15.12. bereits in zweiter Auflage veranstaltet. Im Zentrum der Gastspiele aus den USA, Großbritannien, den Niederlanden, Belgien, Irland, Polen, Estland, Österreich, der Schweiz und Deutschland steht die dramatisch dauerbrennende Identitätsfrage. So legt die 32-jährige koreanische Amerikanerin Young Jean Lee aus New York in ihrer Arbeit Songs of the Dragons Flying to Heaven (HAU 1, Stresemannstr. 29, 7./8.12., 19.30 Uhr) beide Ethnien – „Weiße und Asiaten“ – bissig-ironisch unters Mikroskop. Die Gruppe Berlin aus Antwerpen kommt – Identität hin oder her – unterdessen gänzlich ohne Live-Performer aus: In einer Serie von Städte-Porträts, die demnächst um Moskau ergänzt wird, zeichnet das belgische Team mit Bonanza (HAU 3, Tempelhofer Ufer 10, 11.12., 19.30 & 21 Uhr, 12.12., 19.30 Uhr) das filmische Porträt einer verlassenen Bergbaustadt am Fuße der Rocky Mountains, in der von einst 6000 Bewohnern nur noch sieben übrig geblieben sind. Aus Polen kommt Malgorzata Sikorska-Miszczuks RAF-Stück Der Tod des Eichhörnchenmenschen (HAU 3, Tempelhofer Ufer 10, 14./15.12., 21 Uhr). Es gewann den ersten Preis eines von polnischen Theatern ausgeschriebenen Wettbewerbs um ein Stück über Ulrike Meinhof und wurde vom Regisseur Marcin Liber und seiner Truppe ustausta/2xu als rasanter Bühnencomic inszeniert.

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