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SPIEL Sachen: Biowürstchen- Biedermeier

Rechtzeitig zur Grillsaison bringt das kleine Theater unterm Dach in Prenzlauer Berg (Danziger Straße 101) die adäquate Gegenwartsdramatik aufs Tapet: In Ewald Palmetshofers sommerlichem Goethe-Remix Faust hat Hunger und verschluckt sich an einer Grete (25./26.

Rechtzeitig zur Grillsaison bringt das kleine Theater unterm Dach in Prenzlauer Berg (Danziger Straße 101) die adäquate Gegenwartsdramatik aufs Tapet: In Ewald Palmetshofers sommerlichem Goethe-Remix Faust hat Hunger und verschluckt sich an einer Grete (25./26.5., 20 Uhr) wird des Pudels Kern auf einer Wohnblock-Party gesucht (Regie: Reto Kamberger). Drei Paare machen sich an mitgebrachtem Grillgut zu schaffen und schlagen die Zeit tot. Bis zwei Personen auftauchen, die sich ins Biowürstchen-Biedermeier nicht recht einpassen mögen: Faust und Grete wollen wissen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ – mit den bekannten Folgen.

Palmetshofer, der zuvor mit „hamlet ist tot. keine schwerkraft“ bereits einen anderen kanonischen Dramenhelden vergegenwärtigt hatte und vom Fachblatt „Theater heute“ zum Nachwuchsdramatiker des Jahres 2008 gekürt wurde, erweist sich als leuchtendes Beispiel für die Nachspielfähigkeit hiesiger Jungdramatik: Autoren klagen ja oft, dass ihre Stücke nach der Uraufführung auf Nimmerwiedersehen von den Spielplänen verschwinden. Palmetshofers Faust-Paraphrase hingegen hat seit Felicitas Bruckers Wiener Premiere schon zwei Jahre überlebt.

Es findet sich gleich noch ein weiteres hochklassiges Produkt der Jungdramatik im Repertoire des Theaters unterm Dach: Felicia Zellers Kaspar Häuser Meer (wieder 23./24.6., 20 Uhr) zeigt auf gründlichen Recherchen basierende, grotesk überhöhte Szenen aus dem Alltag dreier Sozialarbeiterinnen. Für diese behördliche Innenansicht gewann die Autorin beim Mülheimer Stücke-Festival 2008 zu Recht den Publikumspreis.

Auch einige Figuren aus Krzysztof Bizios Toxine im Ballhaus Ost (heute und morgen, 20 Uhr) wären Fälle für Zellers Ämter. Der 1970 in Stettin geborene Bizio wirft in fünf Episoden über Väter und Söhne sozialrealistische Schlaglichter auf die (polnische) Gegenwart. Der viel zitierte „wilde Osten“ erscheint dabei wenig romantisch: Dealer, Alkoholiker, vaterlose Kids und windige Geschäftsleute geben sich die Klinke in die Hand. Gut möglich, dass auch Faust – oder Mephisto – unerkannt vorbeischaut.

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