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SPIEL Sachen: Von der Zellteilung bis zur Finanzkrise

Während sich die großen Berliner Bühnen mit der Finanzkrise, Kriegsheimkehrern oder Flüchtlingsbiografien zurzeit an höchst konkreten gesellschaftlichen Problemen abarbeiten, ist in der freien Szene ein deutlicher Hang zum großen Ganzen zu erkennen. Wo kommt die Spezies überhaupt her?

Während sich die großen Berliner Bühnen mit der Finanzkrise, Kriegsheimkehrern oder Flüchtlingsbiografien zurzeit an höchst konkreten gesellschaftlichen Problemen abarbeiten, ist in der freien Szene ein deutlicher Hang zum großen Ganzen zu erkennen. Wo kommt die Spezies überhaupt her? Und wie konnte sie dort landen, wo sie heute festsitzt?

Diese globalen Entwicklungsfragen – quasi das Vorspiel zum großtheatralen Gegenwartstrend – stehen im trüben Berliner Januar tatsächlich auffällig oft auf der Theatertagesordnung; quer durch alle Sparten und Alterszielgruppen.

Am weitesten lehnt sich dabei der Autor und Regisseur Christian Saak im Theaterdiscounter aus dem Fenster: Unter dem Motto Das Urknall-Syndrom (31.1. bis 2.2., 20 Uhr) verspricht er, „nichts Geringeres als genau den Moment, wo alles begann“ auf die Bühne zu bannen. Entgegen dem grassierenden Doku-Authentizitätstrend hält er sich dabei allerdings gar nicht erst mit Astrophysikern, Quantentheoretikern und anderen einander eh permanent widersprechenden Wissenschaftlern auf. Sondern Saak ist ganz für die Information aus erster Hand und lässt in seinem „Mysterienspiel in Echtzeit“ den Urknall gegen ein kleines, mithin Off-übliches Honorar höchstpersönlich auftreten. In bester theatraler Einfühlungsmanier wird er uns mitteilen, „was der Urknall vor dem Urknall fühlte“. Zudem erfahren wir, dass es sich bei diesem Kollegen mehr um eine Erscheinung der Tat denn des diskursiven Reflektierens handelt: Da „Theorien, die nur zehn Personen verstehen“, dem Theaterteam zufolge „schon bei Fußballspielen deplatziert wirken“, ist mit einem Bühnenereignis von maximaler Anschaulichkeit zur rechnen.

Dass die Bühnenkunst so komplexe Vorgänge wie die Menschwerdung auf einen relativ theoriefernen Punkt zu bringen versteht, beweist auch das Theater o. N. Hier wird – da man mit dem Grübeln über seine eigene Herkunft bekanntlich gar nicht früh genug beginnen kann – schon Zuschauern ab zwei Jahren die Geschichte von der Zellteilung bis zum aufrechten Gang nahegebracht. In dem zielgruppenfreundlichen 50-Minüter Weiße Wäsche (So 27.1., 11 & 16 Uhr) schälen sich unter der Regie von Taki Papaconstantinou zwei Wesen aus einem gigantischen Stoffberg heraus und stellen mit großer Ruhe die allerersten Fragen: Wer sind wir? Wie sind wir? Und gibt es in diesem Wäschehaufen für uns irgendetwas zu finden?

Wo solche zarten Begegnungen enden – Überforderung, Ehe- und/oder Finanzkrise – erfährt der Zuschauernachwuchs dann freundlicherweise erst 20 Jahre später im Staatstheater.

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