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Kultur: Spitze Witze im Bett

Maxim Biller über sein neues Theaterstück

Am Maxim Gorki Theater Berlin wird heute Abend Maxim Billers Stück „Menschen in falschen Zusammenhängen“ uraufgeführt (Regie Peter Kastenmüller). Biller, geboren 1960 in Prag, lebt als Schriftsteller und Kolumnist in Berlin. Sein Roman „Esra“ (2003) wurde wegen „Verletzung von Persönlichkeitsrechten“ verboten. Zuletzt erschien der Erzählband „Bernsteintage“.

Herr Biller, Ihr Theaterstück „Menschen in falschen Zusammenhängen“ erzählt von der unseligen Liaison zweier Juden in Berlin. Geht es Ihnen um die Unmöglichkeit der Liebe?

Es geht um die Liebe als ganz großes Abenteuer. Sie ist wie eine Antarktis-Expedition, bei der man nicht weiß, ob man ankommt. Und viele sind schon auf dem Weg dahin zu ängstlich.

Spielt es eine Rolle, dass Micky und Dinah als Juden in Deutschland leben?

Ich bin mir sicher, wenn meine Eltern damals mit mir nach Frankreich gegangen wären, wäre mir die gleiche Geschichte eingefallen. Weil ich ein jüdischer Schriftsteller bin, ist das Land, in dem ich lebe, ein bißchen abstrakter als das, in dem ein deutscher Autor lebt. Es wird von Menschen bevölkert, die anders denken und fühlen, andere Geschichten haben, andere Biografien, einen anderen Humor.

Gleich beim ersten Streit fällt der Satz: „Die Nazis sind an allem schuld.“ Dina macht sich sogar lustig über diese Schuld-und-Opfer-Rhetorik.

Ja, und sie sagt auch: Vielleicht liebe ich dich einfach nicht! In einem Stück eines anderen Autors würde vielleicht einer sagen: Die Umweltverschmutzung ist schuld daran, dass Du nicht mit mir zusammen sein willst. Ich verstehe, dass das deutsche Publikum sich an mir abarbeiten will und Antworten auf die großen deutschen Fragen erwartet, die mit der deutschen Geschichte zusammenhängen – ich kann sie nicht geben. Ich schöpfe mein Material aus meiner Biografie.

Sie sagt aber auch: Micky, der Liebhaber, ist eine öffentliche Figur, der „pathetische Herr Rosenstein“: der Vorsitzende des Jüdischen Gemeinderats.

In einem deutschen Stück wäre er vielleicht Vorsitzender von Bayern München oder CDU-Politiker. Er ist der Chef der deutschen Juden in Deutschland. Das, finde ich, ist zum Erzählen erst mal eine tolle und sexy Ausgangsposition.

Es gibt in Ihrem Stück auch jede Menge Seitenhiebe, gegen schlappschwänzige deutsche Sofamänner, Frauen mit Orgasmusproblemen. Wir erfahren zudem von den Vorzügen beschnittener Liebhaber.

Ich komme mir jetzt vor wie der Papst – der hat das ja auch nicht so gemeint. Die beiden Figuren streiten sich, sind aggressiv. Sie wollen glücklich sein und können es nicht. Wenn ich überhaupt mit dem Stück etwas sagen will, dann gewiss nicht, dass es Frauen mit Orgasmusschwierigkeiten gibt: Das stimmt erstens nicht und zweitens wissen es eh alle.

Es wird heftig über die Freiheit der Kunst gestritten. Wie weit darf Humor gehen?

Ich kann immer nur sagen, wenn ich einen Witz über jemanden mache: Dann mach doch einen Witz zurück!

Das traut sich bei Ihnen doch kaum jemand. Sie haben sich doch sogar mal beschwert, dass keiner Sie beleidigt.

Gestern noch sagte mein Vater – oder wie Goebbels sich ausdrückte: Gestern sagte der Führer zu mir – gestern also sagte mein Vater zu mir: Weißt du, deine Stärke ist, dass du dich zwar lustig machst über die anderen, aber du bist auch nie beleidigt, wenn andere sich über dich lustig machen.

In einem Interview haben Sie gesagt: „Dass ich Jude bin, ist nicht ein Problem für mich, sondern für die anderen.“

Genial! Habe ich das wirklich gesagt? Also, mich stört es wirklich nicht.

Das Interview führte Sandra Luzina.

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