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Kultur: Sponsorengier oder Selbstlosigkeit

Kolossaler Ärger um das römische Kolosseum.

So vollgelaufen ist das Kolosseum bei einem Wolkenbruch im Oktober, dass man in der Arena wie die alten Römer gleich Seeschlachten hätte veranstalten können. An Weihnachten ist wieder Tuffstein herabgebrochen, ein Geländer hat nachgegeben. „Das Kolosseum zerfällt“, ruft der Bürgermeister von Rom, und alle sind sich mit ihm einig: Diese von gut fünf Millionen Touristen pro Jahr bedrängte Stätte antiker Volksbelustigung hat eine Generalüberholung nötig.

Nicht dass es an Geld fehlte. Im Gegenteil. 25 Millionen Euro liegen bereit. Im März sollen die Arbeiten losgehen. Besser gesagt: sollten. Denn auf einmal gibt’s mächtigen Ärger: Staatsanwälte ermitteln, der italienische Rechnungshof obendrein; das Verwaltungsgericht kann, wenn es will, alles blockieren. Gespendet hat das Geld der italienische Schuh- und Luxusmodenhersteller Diego Della Valle, genannt „DDV“ oder „Mister Tod’s“, seiner Hauptmarke wegen. DDV also sagt, er habe aus reiner Vaterlandsliebe gehandelt; angesichts klammer Staatskassen sei es ihm „eine Ehre, das Symbol-Denkmal Italiens zu restaurieren“.

Von wegen, wettern Leitartikler, Gewerkschaften und Verbraucherschützer. Della Valle, sagen sie, wolle das Kolosseum zu Werbezwecken missbrauchen. Ihm das Anbringen von Plakaten, die Reklame auf Eintrittskarten und für 15 Jahre, wie im Vertrag vorgesehen, die Exklusiv-Vermarktungsrechte zu überlassen, sei ein „Kniefall“ vor privatem Profit, ein „Ausverkauf“ nationaler Symbole.

Die „Uilbac“, die Gewerkschaft der Kulturbeschäftigten, hat die Lawine losgetreten. Sie hält den Zuschlag für die Restaurierung, den DDV vor genau einem Jahr bekam, für ungesetzlich. Mangels geeigneter rechtlicher Regelungen fürs Kultur-Sponsoring hatten die Denkmalschützer die Restaurierung des Kolosseums ausgeschrieben wie einen öffentlichen Bauauftrag. Der Übernehmende hätte gleich alles tun müssen: die Arbeiten planen und leiten, geeignete Handwerksfirmen suchen, abrechnen. Dieses Gesamtrisiko aber wollte sich kein Privater aufhalsen.

Als das Ministerium am Ende der Ausschreibungsfrist mit leeren Händen dastand, durchschlug DDV den Knoten. Zur Erleichterung der Restauratoren und zur Verzweiflung der Juristen schlug er vor, die Arbeiten zu bezahlen, die Ausführung aber der Fachwelt zu überlassen. Darauf ließen die Behörden alle öffentlichen Ausschreibungen sein und vergaben den „Auftrag“ in Privatverhandlungen an Della Valle. Diese „Undurchsichtigkeit“ des Verfahrens könnte formal in der Tat unrechtmäßig gewesen sein. Gewerkschaft, Verbraucherschutz und Kartellbehörde vermuten: Hätte das Ministerium unter den neuen Bedingungen noch einmal ausgeschrieben, hätten sich weitere Sponsoren gemeldet – und womöglich mehr Geld geboten als DDV. Details aus dessen Vertrag wurden nie vollständig offengelegt.

Eine „Ausbeutung“ aber, versichert Della Valle unverdrossen, sei nicht geplant: „Wir zahlen einfach so, um das Kolosseum vor jedweder kommerzieller Spekulation zu bewahren “ Wenn es bei den Plänen bleibt. Denn genervt, wie er inzwischen ist, denkt DDV bereits über seinen Rückzug nach. Paul Kreiner

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