zum Hauptinhalt
Sich klar und verständlich ausdrücken, sollte auch für Blogger gelten. Oder doch nicht?

© AFP

Sprachkolumne: Hier die Blogger – da die Holzmedien

Matthies ringt um Worte. Heute: Müssen Blogger sich klar und verständlich ausdrücken oder ist die persönlich gefärbte Darstellungsform mit derlei Kriterien nicht zu messen? Bernd Matthies glaubt, die Antwort zu kennen.

Es hat sich zwischen Bloggern und Holzmedien eine Feindschaft entwickelt, die an die Römer und das gallische Dorf erinnert. Und es sind die Blogger, die sich in der Rolle von Asterix und Obelix sehen und unbekümmert ins Schlachtengetümmel eingreifen, weil sie den Sieg sowieso sicher haben. Denn unter hundert Bloggern ist garantiert immer einer, der es besser weiß als der einsame Journalist, über den sie herfallen. Das ist nicht unbedingt negativ gemeint, denn Blogger haben mit harten Fakten manche scheinbar unsinkbare Gewissheit des Holzmedien-Mainstreams zu Fall gebracht; die Diskussion über Klimawandel und Islamophobie, um nur zwei willkürlich gewählte Beispiele zu nennen, hätte sich ohne sie nie zu so schöner Blüte entfalten können.

Trotz des kaum vermeidbaren gegenseitigen Futterneids müsste es aber doch Gemeinsamkeiten geben, beispielsweise, was die Sprache angeht. Wolf Schneider, der Obermeister der deutschen Sprachinnung, hat jetzt eine Art Brückenschlag versucht – und nicht ganz überraschend eine neue Kontroverse ausgelöst. Die Idee, die er zunächst in seinem Video-Blog der SZ, jetzt auch in seinem neuesten Buch „Deutsch für junge Profis“ formuliert, klingt einfach: Es müsste auch unter Bloggern höchstes Ziel sein, verstanden zu werden und deshalb alle Texte auf ein Höchstmaß an Verständlichkeit zu trimmen. Wie das geht, ohne Eleganz, Witz und Ironie zu opfern, hat Schneider in unzähligen Büchern immer wieder gepredigt, er tut es auch in diesem Buch mit einigen neuen und vielen wohlbekannten Versatzstücken.

Doch nun wird ihm vielerorts entgegengehalten, ein Blog sei eine ganz eigene journalistische, persönlich gefärbte Darstellungsform, die mit derlei Kriterien nicht zu messen sei. „Ich habe mein eigenes Blog immer als so eine Art Infohalde für das Festhalten unwichtiger Dinge benutzt, ob da nun Personen tatsächlich etwas lesen, war mir eigentlich egal. Ich konnte es ja auch gar nicht verfolgen“, schreibt einer unter dem Namen „Sköne Oke“ – aber wie wäre das enorme weltweite Bohei um die Blogs zu erklären, wenn darin nur unwichtige Dinge festgehalten werden? Nun: „Wichtige Dinge“ sind für viele Blogger eine Fiktion, eine Konvention der Holzmedien mit Blick auf den Durchschnittsleser. „Sköne Oke“ weiter: „Manche Leute finden es interessant, dass andere Menschen die Zeitung lesen. Denn wir wissen nicht, was sie uns damit sagen, aber sie sagen uns damit zum Beispiel, welche Zeitung sie lesen.“ Aha. „Gut informiert sein“, so folgerte die Süddeutsche Zeitung, bedeute für junge Internet-Nutzer überwiegend, „dass sie wissen, was ihre Freunde im Netz gut finden“. Selbst, wenn es die altmodische Zeitung ist...

"Luther und Twitter Arm in Arm"

Dieser Oberflächen-Logik ist vom journalistischen Standpunkt wenig entgegen zu halten. Wenn die Information, die die Blogger und ihre Leser suchen, tatsächlich in allen Details der Mitteilung enthalten sein kann, schrumpft die Sprache auf eine Art Buchstabensalat zusammen, der nur noch die formale Basis für die Botschaft liefert. Denn selbst sinnloses Gestammel über alle grammatischen Regeln hinweg teilt uns immerhin mit, dass der Autor sinnlos stammelt – auch und gerade damit lassen sich Fan-Gemeinden sammeln. Wolf Schneiders Lieblingsbeispiel, ein Text des Kult-Bloggers Felix Schwenzel, kommt ironischerweise zu dem Fazit „print ist noch lange nicht tot“. Der Weg zu diesem Satz allerdings führt durch ein konfuses Hochgeschwindigkeits-Parlando, in seiner hohlen Redundanz unlesbar für alle, die auf Sinn und nicht auf Sound setzen.

Schneider argumentiert scharf dagegen und setzt seine Hoffnung auf das Twittern, das zur extremen Kürze drängt und insofern als Gegenentwurf zur Geschwätzigkeit der Blogs taugt. „Luther und Twitter Arm in Arm“ entdeckt er erfreut, denn die meisten großen Sätze des Reformators passen leicht in 140 Zeichen. Der allerdings wollte auch verstanden werden; ziemlich viele Twitter-Mitteilungen lesen sich dagegen eher wie verschlüsselte Agentenprosa. Schneider, unverbesserlicher Stillehrer, kämpft gegen diese Babylonisierung der Netz-Sprache und besteht darauf, dass es Journalisten sein werden, die auch künftig den Konsumenten den Weg durch den Medien-Dschungel weisen. Es spricht wohl tatsächlich einiges dafür, dass klare Sprache auch in den nächsten Jahrzehnten gebraucht wird.

Wolf Schneider, Deutsch für junge Profis, Rowohlt Berlin, 16,95 Euro

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false