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Sprachpflege: Krimis "up platt"

Sie sind jung, ambitioniert und haben eine für ihr Alter ungewöhnliche Leidenschaft. Eine Greifswalder Studenteninitiative kämpft mit ungewöhnlichen Aktionen für das Niederdeutsche.

Greifswald - Die Studenten schlossen sich vor drei Jahren zu einer Initiative Plattdeutsch zusammen, um die Sprache im hohen Norden zu erhalten und deren Freundeskreis zu erweitern. Menschen, die mit Plattdeutsch aufgewachsen sind, sollten dieses "nicht erst im Rentenalter für sich wieder entdecken", erklärt Doktorand Thorsten Filter. Der 34-Jährige ist einer der Mitbegründer der Initiative.

So bringt die Handvoll junger Sprachpfleger mit 14-tägigen Stammtischen, bei denen Platt gesnackt wird, mit speziellen Filmen oder Vorträgen das Niederdeutsche unter die Leute. Die plattdeutschen Science-Fiction-Parodien der "Filmemokers" aus Sulingen haben sie gezeigt sowie zwei wissenschaftliche Vortragsreihen organisiert, wie die unter dem Titel: "Wat de jungen Lüd' in'n Kopp hebben. Nachwuchsforschen im Niederdeutschen." Dieses Jahr möchten sie auf Plattdeutsch für Gänsehaut-Feeling sorgen und so für die Sprache werben: Beim Vorlesen von entsprechenden Kriminalstorys und Gruselgeschichten.

Viele Jüngere schrecken vor dem Plattdeutschen zurück

Mit plattdeutschen Geschichten ist Christian Peplow groß geworden. Der 25-jährige Stralsunder, der in Greifswald Geschichte studiert, erzählt: "Die hat mir mein Vater statt der Grimmschen Märchen vorgelesen." Peplow ging früh zu der Niederdeutschen Bühne "Plattdütsch Späldäl" in Stralsund, die unter anderem regelmäßig einen Plattdeutsch-Snack im Talkshow-Format veranstaltet. "Zuerst habe ich bei den Bühnenbildern mitgeholfen, dann habe ich selber mitgespielt", sagt Peplow. Trotzdem habe er lange nach gleich gesinnten Gleichaltrigen suchen müssen. Viele Jüngere schreckten vor dem Gebrauch des Plattdeutschen zurück, selbst, wenn ihnen die Sprache nicht ganz fremd sei, bedauert Peplow.

Dass dem so ist, liegt laut Filter daran, dass der "Nachwuchs" nicht wirklich an die Sprache herangeführt worden sei, auch wenn diese im Elternhaus noch eine wichtige Rolle gespielt habe. "In meiner Kindheit habe ich ständig Plattdeutsch gehört, aber keiner aus meiner Familie hat es mit mir gesprochen", beschreibt der gebürtige Rüganer seine Erfahrungen. Dabei lehne die jüngere Generation das Niederdeutsche nicht generell ab, hat die Doktorandin Birte Arendt, ein weiteres Gründungsmitglied der Initiative, festgestellt. "Jüngere bringen der Sprache großen Respekt entgegen", sagt die 32-Jährige, die über Sprachwahrnehmung und Spracheinstellung zum Niederdeutschen promoviert.

Niederdeutsch als eigenes Fach

Doch fehle es an Rahmenbedingungen, um dem Plattdeutschen zu einer größeren Verbreitung und somit Akzeptanz zu verhelfen, kritisieren die Sprachpfleger. An der Universität Greifswald etwa wurde die Professur für Niederdeutsche Philologie 2002 ersatzlos gestrichen und in dessen Folge das Lehrangebot deutlich reduziert. Auch der Erlass "Niederdeutsch in der Schule" des Bildungsministeriums von Mecklenburg-Vorpommern, der besagt, dass Plattdeutsch als ein durchgängiges Unterrichtsprinzip in vielen Fächern einfließen muss, behagt Mitgliedern der Initiative nicht. "Wesentlich effektiver wäre es, Niederdeutsch als eigenes Fach zu unterrichten", findet Lehrerin Christiane Baller, mit 52 Jahren eines der ältesten Mitglieder im Freundeskreis.

Obwohl die "Sprachrevoluzzer" an einem Strang ziehen, sind sie längst nicht immer einer Meinung. Während Arendt auch im Niederdeutschen vom Computer spricht, bevorzugt Kollege Filter die plattdeutsche Umschreibung "Räkentau" ("Rechenmaschine"). "Wir haben unterschiedliche Einstellungen, wie der Sprachwandel beeinflusst werden kann oder nicht. Aber diese Diskussionen bringen uns weiter", sagt Arendt. (Von Kerstin Hebeler, ddp)

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