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Kultur: Spur der Rillen

Schwarze Nostalgie: das Musical „Idlewild“

Leichen, die im Sarg aufgebahrt werden, sollten friedvoll aussehen. Nicht glücklich. So wird Percival von seinem Vater, einem Bestattungsunternehmer, belehrt. Tagsüber präpariert Percival die Toten, nachts bringt er als Pianist ein einem Jazzclub namens „Church“ die Lebenden zum Tanzen. Gespielt wird er von André Benjamin, der mit Antwan A. Patton – im Film als Cab-Calloway-artiger Entertainer zu sehen – das Hip-Hop-Duo Outkast bildet. „Idlewild“ ist sozusagen ihre Referenz an die Toten, ein mit zackigen Grooves und irrwitzigen Tanzszenen aufgemotztes Musical im Stil der dreißiger Jahre. Das Melodram lässt kein Klischee aus, es gibt mordende Mafiosi, eine Sängerin, die unter falschem Namen die Bühne und Percivals Bett erobert, Kugeln, die in Bibeln stecken bleiben. Outkast sind für ihren Eklektizismus berühmt, sie verrühren Funk, Blues, Exotika und modernste Elektronik zu einer eigentümlichen, aufregenden Wundertüten-Musik.

„Idlewild“, inszeniert vom bisherigen Videoclip-Regisseur Bryan Barber, folgt hingegen bis ins kleinste Ausstattungsdetail einer Ästhetik nostalgischer Verehrung. Auf dem Kaminsims einer Nachtclub-Artistin, selbstverständlich wie alle anderen auftretenden Figuren eine Schwarze, steht ein Foto der platinblonden Hollywood-Diva Jean Harlow. Am Anfang des Films wird ein Grammofon aufgedreht, die Kamera fährt in die Rille, und schwarz-weiße Bilder aus dem afroamerikanischen Alltag in den Südstaaten der Prohibitionsära ziehen vorbei. In einer Szene überreichen die Helden einander ehrfürchtig Schellack-Platten, auf dem Label steht „Swanky Jazz“.

Erst wenn die Musik ins Spiel kommt und die „Church Orchestra Syncopters“ in Fahrt geraten, kippt der Film in die Gegenwart. Benjamins Falsettgesang ist mit knochentrockenen Beats unterlegt, hinreißende Synchron-Choreografien werden in Slow- und Stop-Motion-Effekte zerlegt. „Idlewild“ mag nicht die schwarze Antwort auf „Moulin Rouge“ geworden sein, ein furioser Musikfilm ist er trotzdem.

„Idlewild“, ab Donnerstag im Berliner Cinestar Sonycenter (OV)

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