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Im Käfig der Lust. Der französische Choreograf Angelin Preljocaj zeigt feministische Scheherazaden.

© Bettina Stöß/Promo

Staatsballett in der Deutschen Oper: Ach, du schwüler Orient

Das Staatsballett tanzt „The Nights“ von Angelin Preljocaj in der Deutschen Oper.

Von Sandra Luzina

Zwölf Odalisken räkeln sich lasziv im Dampfbad. Mit einem erotischen Tableau, das an das berühmte Gemälde „Das türkische Bad“ von Ingres erinnert, eröffnet der Choreograf Angelin Preljocaj sein Ballett „The Nights“. Europäische Maler und Schriftsteller des 19. und 20. Jahrhunderts huldigten dem Mythos des Orients als Ort der Sinnlichkeit und Dekadenz. Und der Franzose – völlig unberührt von der von Edward Said angestoßenen Orientalismus-Debatte – stellt sich in diese Tradition und präsentiert eine schwüle Orient-Fantasie, die sich gewaschen hat. Mit Harem, Hamam und Shisha-Pfeifen.

Preljocaj hat sich von den Erzählungen aus „1001 Nacht“ zu dem Ballett anregen lassen, das auf Französisch „Les Nuits“ heißt und im Rahmen des Programms „Kulturhauptstadt Marseille-Provence 2013“ uraufgeführt wurde. Das Staatsballett hat die Choreografie, die wie ein narkotisierendes Parfüm ist, jetzt in seiner Jubiläumsspielzeit übernommen. Nun versucht der Choreograf nicht etwa, die Märchen nachzuerzählen – er versteht sein Werk als eine evocation sensuelle und schwelgt in runden, geschwungenen Formen. Man kann die Kurve eines nackten Rückens studieren oder die Linien eines Busens. Die orientalische Ornamentik versucht er, in eine Kalligrafie der Körper zu übersetzen. Doch der Stilmix aus Ballett und zeitgenössischem Tanz sowie Einflüssen des orientalischen und indischen Tanzes ist reichlich uninspiriert. Die Ensembleszenen, wo alle ihre Hüften schwingen und auch die Männer mal im Röckchen auftreten, sehen nach Bollywood aus. Und bei einigen Tanznummern hat man das Gefühl, Preljocaj wolle sich als Choreograf für das Lido-Revuetheater bewerben. Ihm geht es vor allem um die Kunst, die Körper der Tänzerinnen verführerisch zu arrangieren.

Da heben sich die Schattenrisse von drei Frauen, die im Spagat auf Amphoren hocken, vor blauem Grund ab. Zu jeder der Schönen tritt erst ein Mann und fährt mit der Hand an Brust und Bauch entlang, dann kommt ein zweiter von hinten hinzu. Zum Schluss werden die willigen Gespielinnen in der Vase versenkt.

Fast hat man den Eindruck, als solle hier ein Brevier der altorientalischen Liebeskunst aufgeblättert werden, als solle bewiesen werden: Der Islam war nicht immer lustfeindlich. Auch dem Choregrafen kann man keine Prüderie vorwerfen. Alle möglichen Stellungen und Konstellationen werden durchgespielt. Bei den Pas de deux geht's gleich zur Sache, Mann und Frau pressen ihre Hüften aneinander und deuten einen Beischlaf an. Die Erotik unter Männern wird in einer mehrdeutigen Rasurszene ausgestellt, in der drei Tänzer sich in die Hände ihres Friseurs begeben.

Mit seinem Ballett will Angelin Preljocaj in erster Linie die orientalischen Frauen feiern. Scheherazade sei eine Feministin, betont er. Nun gibt es in „The Nights“ keine Geschichtenerzählerin, die dem Stück einen Fokus geben könnte. Doch in jeder der zwölf Tänzerinnen stecke eine Scheherazade, meint der Choreograf. Sein Ballett ist auch eine Verbeugung vor Natacha Atlas. Die charismatische Sängerin, eine Grenzgängerin zwischen der orientalischen und westlichen Welt, hat neben Samy Bishai und 79 D die Musik geschrieben. Da wird der Geliebte mit betörender Stimme als „Habibi“ angerufen. Da fügt Atlas dem Popsong „It's a Man’s World“ in ihrer Interpretation arabische Verzierungen hinzu. Insgesamt ein eher enttäuschender Soundtrack. Die Kostüme hat der berühmte Modedesigner Azzedine Alaïa entworfen, alle Tänzerinnen sehen superbe aus. Das ist Feminismus à la francaise.

Das gar nicht märchenhafte Ende will dann noch eine Kritik formulieren. Die weibliche Lust steckt in einem Käfig. Vergeblich versuchen die zwölf Scheherazaden, sich aus ihrem Gefängnis zu befreien.

Deutsche Oper: wieder am 7., 21., 25.2., jeweils um 19.30 Uhr

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