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Herr im Haus. Daniel Barenboim in der neuen alten Staatsoper.

© Christian Mang

Staatsoper Präludium: Hier stehe ich nun, ich armes Ohr

Akustikprobe Nr. 2: Daniel Barenboim dirigiert das erste Sinfoniekonzert der Staatskapelle in der sanierten Staatsoper Unter den Linden.

Mit Schlägen gegen den Eisernen Vorhang, mit Musik von Schumann und Texten von Goethe sollte die Staatsoper wieder zum Leben erweckt werden. „Zum Augenblick sagen: Verweile doch“, war dafür ein trickreich gewähltes Motto – ergänzt der Bildungsbürger doch unweigerlich: „... du bist so schön.“ Was ein Opernhaus wirklich schön macht, darüber wird man nach diesem „Präludium“, auf das eine neuerliche Schließzeit bis Dezember folgt, noch diskutieren können. Dass eine gute Akustik unbedingt dazugehört, stellt niemand infrage. Schließlich ist die klangliche Aufrüstung des Hauses der größte Verdienst der Generalertüchtigung, nachdem die ursprünglich geplanten Segnungen eines modernen Saals plötzlich vom Teufel gewesen sein sollten.

Auf das erste Sinfoniekonzert der Staatskapelle Unter den Linden wartet man umso gespannter, als Daniel Barenboim die Akustik auf der Bühne vorab in höchsten Tönen gepriesen hat. Ja, der Generalmusikdirektor war so des Lobes voll für die neue Konzertsituation, dass ihm für die eigentliche Hauptaufgabe, das Musizieren im Graben bei vollem Opernbetrieb, nur noch schmale Worte blieben. Ist das Zweckoptimismus? Schließlich hat die Staatskapelle viele ihrer Konzerte für die Saison 2017/18 Unter den Linden programmiert, bevor es überhaupt eine erste Akustikprobe geben konnte.

Hightech blitzt durch jede Ritze

Es muss also gut klingen im neuen Konzertzimmer, jener Bühnenkonstruktion für sinfonische Abende, die Richard Paulicks angedeutete Säulengliederung optisch hinter den Musikerinnen und Musikern fortspinnt. Hinzu kommen zwei Reihen Akustiksegel, die frei von Vorgaben des Denkmalschutzes in nüchtern funktionaler Allgegenwart über der Bühne schweben. Schön ist was anderes, aber es charakterisiert ein Haus, in dem Hightech durch jede Ritze blitzt, die Stuckmarmor und Schlagmetall ihnen lassen.

Die alte neue Staatsoper sucht den Genius des Ortes und landet unweigerlich bei Barenboim und dem Klang seiner Staatskapelle. Das Programm liest sich am Mittwoch wie das Protokoll eines klassischen Soundchecks: Jörg Widmanns „Zweites Labyrinth“ von 2006 spaltet das Orchester in fünf ungleiche Gruppen, deren aufregendste aus zwei Flügeln, zwei Harfen, ungarischem und weißrussischem Cymbal, Zither und dem bauchigen Guitarron bestehen. Nichts wird hier ordentlich gespielt, die Flügel schlagen mit den Tastaturdeckeln, Klangkörper werden angeklopft, Saiten rabiat angerissen. Ein perkussives Irrlichtern, aufgefüllt mit Holzbläserglucksen und Streicherlinien ohne Ziel. Das wirkt, geballt aufs Podium gestellt, wenig klangsinnlich. Wohin aber könnten einzelne Orchestergruppen ausweichen? In den Proszeniumslogen lauern Filmkameras.

Maurizio Pollini schleppt sich durch seinen Auftritt

Eine lähmende Umbauphase folgt, für Schumanns Klavierkonzert, das jenseits klassischer Proportionen lebt und daher in jedem Augenblick um Balance und Mitte ringt. Solist ist Maurizio Pollini, der einstmals klarsichtige Pianist, der die Klassiker im Licht der Zweiten Wiener Schule zu durchleuchten wusste. Davon ist dem 75-Jährigen nichts geblieben, seit Jahren schleppt er sich schattenhaft durch seine Auftritte. Auch für Schumann kann er keine Ausnahme mehr machen. Das schmerzt. Barenboim muss sein Dirigat laufend anpassen, weil keine Impulse kommen, Einsätze ausfallen oder vermurmeln. Das daraus resultierende stop and go kappt die Klangmacht der Staatskapelle.

Die eigentliche Akustikprobe fällt damit Debussys „Images“ zu; die nach Gastspielen vorübergehend arbeitslose Staatskapelle hat sie besonders intensiv geprobt. Und tatsächlich lässt sich hier etwas vom neuen Staatsopernsound erahnen, der Einzelstimmen wie das Englischhorn kraftvoll zu tragen weiß. Man kann viel hören, solange die Lautstärke nicht zu sehr ansteigt, muss allerdings auch im eigenen Gehör für die Mischung des Klangs sorgen, zumindest, wenn man sich in den vorderen Parkettreihen befindet.

Der Klang der Staatskapelle - eine Frage der Identität

Der Klang der Staatskapelle wird sich Unter den Linden verändern. Das ist zunächst aufregend, kippt aber beim Einsatz des vollen Orchesters, wenn sich statt sonorer Tiefe eine gleißende, undurchdringliche Klangfront formiert – beinahe so, als klappten einem die Ohren bei hohen Schallpegeln einfach zu. Auf diese durchaus menschliche Reaktion des Saals weiß Barenboim noch keine wirkliche Antwort. Eines ist aber jetzt schon hörbar: Der Klang der Staatskapelle wird sich Unter den Linden verändern. Die Frage nach der Identität des Hauses stellt sich nach der Wiedersehensfreude damit umso dringlicher.

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