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Staatsoper: Scala alla milanese

Der Berliner Staatsoper droht aus Mailand Ungemach. Ein Streik-Frühstück.

Der Satz gehört dringend in die Annalen der jüngeren europäischen Operngeschichte: Über Geld rede man nicht, Geld habe man, sagte der geübte Hamburger und designierte Berliner Staatsopernintendant Jürgen Flimm (in Anlehnung an John Paul Getty) unlängst bei seiner ersten Jahrespressekonferenz. Sprach’s, grinste pfeffersäckisch und meinte: Wenn’s demnächst mal wieder knirschen sollte im Berliner Opernstiftungsgebälk, aus allgemeinen Krisengründen oder der lästigen Tarifsteigerungen wegen, dann werde die Lindenoper sich schon zu helfen wissen (durch Bescheidung oder ein kleines informelles Frühstückchen bei Frau Merkel).

Leider nur ist Jürgen Flimm nicht ganz allein auf der Welt. Wie derzeit die bösen Griechen unsere braven deutschen Staatsfinanzen zu ruinieren drohen, so droht der Berliner Staatsoper jetzt aus Mailand Ungemach. Am 13. Mai sollte sich an der Scala über Wagners „Rheingold“ der Vorhang heben, der Vorabend zu einem neuen „Ring des Nibelungen“, inszeniert von Guy Cassiers, dirigiert von Daniel Barenboim – und ab 17. Oktober auch an der Lindenoper alias Schillertheater zu erleben, weil mit dieser koproduziert.

Der Mailänder Vorhang aber bleibt nun definitiv unten, die Belegschaft des Hauses ruft just am Premierentag zum Streik. Auch die gestrige Vorstellung von „Simon Boccanegra“ wurde bereits bestreikt, die Berliner Produktion, mit dem frisch genesenen Placido Domingo in der Titelpartie und ebenfalls mit Barenboim am Pult. Berlins Generalmusikdirektor hat gerade viel Muße, um herauszufinden, ob die einstige Zauberformel „International Coproduction“ (viel Kunst für viele für weniger Geld) sich nicht längst in ihr schreckgespenstisches Gegenteil verkehrt hat.

„Di soldi non si parla, i soldi si posseggono“, so ungefähr lautet der Getty-Satz auf Italienisch. Der Italiener an sich kennt solche Sprichwörter kaum. Woher auch? Nur 0,3 Prozent des italienischen Staatshaushaltes fließen in die Kultur, und allein die großen Operntempel des Landes haben ein aktuelles Defizit von 100 Millionen Euro eingefahren. Griechische Verhältnisse? Solchen will der nicht eben als kulturaffin verschriene Silvio Berlusconi nun einen Riegel vorschieben: Ein Staatsdekret soll dafür sorgen, dass die Opernhäuser über mehr „Autonomie in ihrer Verwaltung“ verfügen. Im Klartext: Einstellungsstopp bis 2012, Verbot von Nebentätigkeiten, Beschneidung der Haustarifverträge, Abschaffung sämtlicher Privilegien und dergleichen mehr. Ein seriöser staatlicher Kultur- und Bildungsauftrag sieht – Sparzwänge hin oder her – anders aus.

Man hat kein Geld, also muss man drüber reden? An der Scala wird daraus noch ein ganz anderer Schuh. Seit geraumer Zeit schon polemisiert die rechtspopulistische Lega Nord kräftig gegen die 19 Millionen Euro, die das berühmteste Opernhaus der Welt jährlich an Subventionen benötigt. Viel Geld für sehr partikulare Interessen, so der Tenor – und überhaupt beschäftige die Scala, angefangen bei ihrem französischen Intendanten Stéphane Lissner, viel zu viele ausländische Künstler. Wunderbar! Italien den Italienern (inklusive Nordtirol)! Die Scala alla milanese! Dann schmiedet Berlin eben seinen eigenen „Ring“ oder, besser noch, fragt sich rechtzeitig, ob es wirklich einen neuen braucht. Und Daniel Barenboim und Jürgen Flimm haben viel Zeit, um zu Hause nett frühstücken zu gehen.

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