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Stockholm: Literaturnobelpreis für Pamuk

Mit Orhan Pamuk ist zum ersten Mal ein türkischer Schriftsteller mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet worden. Das gab die Schwedische Akademie bekannt.

Stockholm/Berlin - Der 54-Jährige habe "auf der Suche nach der melancholischen Seele seiner Heimatstadt neue Sinnbilder für Streit und Verflechtung der Kulturen gefunden", hieß es zur Begründung des Komitees. Seine Werke wurden bislang in 34 Sprachen übersetzt und in mehr als 100 Ländern veröffentlicht. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) betonte, der Literaturnobelpreis für Pamuk sei ein Signal für die Freiheit der Kunst und des Wortes. Die mit 1,1 Millionen Euro dotierte Auszeichnung wird am 10. Dezember in Stockholm verliehen.

In Deutschland sind von Pamuk unter anderem die Romane "Die weiße Festung", "Das neue Leben", "Rot ist mein Name" und "Schnee" erschienen. Sein neues Buch "Istanbul", eine sehr persönliche Betrachtung seiner Heimatstadt, wird nun statt im Februar schon am 18. November erscheinen.

Neumann nannte Pamuk einen "Grenzgänger und Brückenbauer zugleich". "Er hat mit seinem Werk viel zum gegenseitigen Verständnis der Kulturen beigetragen. Scheinbar mühelos schlägt er den Bogen zwischen Orient und Okzident, zwischen Christentum und Islam", sagte Neumann. Als Wanderer zwischen den Welten gelinge es ihm meisterlich, christlich wie islamisch geprägte Geschichte und Geschichten lebendig zu halten.

Der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, nannte Pamuk einen Schriftsteller, der seinen Landsleuten unbequeme historische Wahrheiten nicht erspare. "Mit Pamuk erhält ein Autor den Nobelpreis, dem der Gedanke einer europäischen Friedenspolitik, die auch die Türkei einschließt, wichtiges Anliegen seiner schriftstellerischen Arbeit ist", sagte Staeck.

Auch das Zentrum für Türkeistudien (ZfT) an der Universität Duisburg-Essen begrüßte die Entscheidung: "Sie passt hervorragend in die Zeit. Pamuks Werk beweist, dass der Dialog der Kulturen nicht nur lebendig ist, sondern Literatur und Kunst ersten Ranges hervorbringt", sagte ZfT-Direktor Faruk Sen.

Michael Krüger, Chef des Hanser Verlages, bei dem deutsche Ausgaben der Bücher Pamuks erscheinen, nannte ihn einen bedeutenden Autor, der in seinen Romanen und Essays die schwierige Geschichte der Türkei zwischen Tradition und Moderne dargestellt habe. "Vielleicht hat die Verleihung zur Folge, dass der Westen nun durch den Erzähler Pamuk seine Scheu verliert, sich näher mit diesem östlichen Partner zu beschäftigen", sagte Krüger.

2005 erhielt Pamuk den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

Die deutsch-türkische Autorin Hatice Akyün ("Einmal Hans mit scharfer Soße") begrüßte, dass gerade Pamuk den Literaturnobelpreis erhalten hat. "Weil er nicht nur über eine faszinierende und bildreiche Sprachgewalt verfügt, sondern auch Themen anspricht, weswegen er in der Türkei politischen Anfeindungen nationalistischer Kreise ausgesetzt ist", sagte die 37-Jährige. Jetzt werde die Türkei geschlossen und mit Stolz hinter ihrem Sohn stehen.

Pamuk wurde 1952 in Istanbul geboren und wuchs in einer gutbürgerlichen, säkularisierten Familie auf. Er studierte Architektur und Journalismus und lebte in den 80er Jahren zeitweise in den USA, bevor er sich dem Schreiben zuwandte.

Im vergangenen Jahr hatte Pamuk den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten. Der Stiftungsrat des Börsenvereins hatte seine Wahl unter anderem mit Pamuks Eintreten für Menschen- und Minderheitenrechte begründet. In seinen Büchern fänden Europa und die muslimische Türkei zusammen.

Pamuk musste sich wegen des Vorwurfs der "Beleidigung des Türkentums" in seiner Heimat vor Gericht verantworten. Er hatte gesagt, in der Türkei seien 30.000 Kurden und eine Million Armenier getötet worden. Im Januar wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt. (Von Angelika Rausch, ddp)

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