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Kultur: Studenten statt Lokomotiven Berliner Architekten bauen die TFH in Wildau

Lokomotiven werden im brandenburgischen Wildau am Stadtrand von Berlin schon lange nicht mehr hergestellt. Und aus der S-Bahn, die gleich vor der ehemaligen Fabrikanlage hält, strömen statt Arbeitern Studenten in die hohen Hallen der einstigen Berliner Maschinenbau AG.

Lokomotiven werden im brandenburgischen Wildau am Stadtrand von Berlin schon lange nicht mehr hergestellt. Und aus der S-Bahn, die gleich vor der ehemaligen Fabrikanlage hält, strömen statt Arbeitern Studenten in die hohen Hallen der einstigen Berliner Maschinenbau AG. Die Verwandlung des Wildauer Industriestandorts in den Wissenscampus der Technischen Fachhochschule ist in vollem Gange. Und entpuppt sich als Erfolgsgeschichte – für das Land, für die Hochschule und ihre Studierenden, aber auch für die Architektur in Brandenburg. Das verdeutlichten auch die „Ortsgespräche“, zu denen das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege in die neue Bibliothek der TFH eingeladen hatte. Das Leitthema „Metropole und Provinz“ passt dabei bestens auf das einstige Industrieareal. Denn um 1900 wurde die Produktion der 1851 von Louis Schwartzkopff gegründeten Lokomotivenfabrik aus der rasant wachsenden Metropole Berlin vor die Tore der Stadt verlagert.

Jetzt haben die beiden im Umgang mit historischen Bauten erfahrenen Berliner Architekturbüros Anderhalten Architekten und Chestnutt Niess zwei der denkmalgeschützten Fabrikhallen mit einer neuen Nutzung versehen. Das Ergebnis ist ein spannendes Duett zwischen Bestand und Erneuerung, das zwei unterschiedliche Lösungsansätze auf hohem Niveau präsentiert.

Anderhalten Architekten haben in die lang gestreckte Halle 14 Vorlesungs- und Laborräume sowie Büros eingefügt, während Chestnutt Niess die Halle 10 zur Bibliothek samt Mensa umgebaut haben. Bei seiner Präsentation des Gebäudes machte Robert Niess deutlich, dass „die Halle fertiggebaut werden wollte“. Bislang nur provisorisch durch einen DDR-zeitlichen Anbau abgeschlossen, wurde der historistische rote Backsteinbau um eine zusätzliche Achse in orangerot eingefärbtem Sichtbeton ergänzt, die die Grundstruktur der Altbaufassade aufnimmt. Zusätzlich haben die Architekten die zur S-Bahn orientierte Giebelseite der Halle mit einem gläsernen Vorbau versehen, der der Hochschule eine neue architektonische Visitenkarte verleiht. Im Inneren des Hauses sind Mensa und Cafeteria im Erdgeschoss untergebracht.

Eine halbkreisförmige Treppe führt zur Bibliothek empor. Dort sind die Regale auf Galerien um den zentralen Empfangsbereich der Bibliothek herumgeführt, so dass die alte Dachkonstruktion aus Metall, die neue Deckenverkleidung und das gläserne Oberlicht in der Halle erlebbar bleiben. „Durch die Materialkombination aus eingefärbtem Beton und dunklen Holzflächen erhält die Bibliothek eine angenehm warme Wirkung“, unterstreicht der Präsident der Fachhochschule, László Ungvári.

Für einen ganz anderen Umgang mit dem Bestand haben sich Anderhalten Architekten entschieden. Doch auch ihr Eingriff lässt sich mit dem neuen Eingang aus grauem Sichtbeton und Glas bereits von außen am Ziegelbau ablesen. Ansonsten hält sich der Einbau deutlich gegenüber dem Bestand zurück. Wie ein Haus im Haus sind die neuen Räume in die Halle eingestellt und von den Außenwänden abgerückt. So bleiben die Spuren aus der Fabrikationszeit an den Wänden ablesbar. Gleich hinter dem Eingang schließt sich der neue gläserne Vorlesungssaal an, dessen Arbeitsflächen in Beige, Braun und Orange ein peppiges Siebzigerjahre-Ambiente schaffen. Dass man aus einigen Büros auf Sichtbeton und altersgraue Wände blickt, ist zwar für manchen Nutzer gewöhnungsbedürftig. Gleichwohl erzeugt das Wildauer Duett aus geretteter Geschichte und anspruchsvoller Gegenwartsarchitektur einen spannenden Zusammenklang, den die Fachhochschule im Wettbewerb der Standorte als zusätzliches Qualitätsmerkmal nutzen kann. Jürgen Tietz

Jürgen Tietz

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