zum Hauptinhalt

© dpa/Monika Skolimowska

Tag 7 bei der Berlinale: Blutende Herzen und kaputte Strümpfe

Die Tage und Nächte des Festivals fordern ihre Tribute. Und welche Filme waren schon toll? Unser Autor zieht eine erste Bilanz des Wuschelhaufens Berlinale.

Eine Kolumne von Robert Ide

So langsam sehen wir alle zerzaust aus. Vier Stunden Schlaf pro Nacht sind vier zu wenig. Meine Ernährung besteht aus Salzbrezeln, meine Frisur ist nur noch ein Wuschelhaufen. In der Premiere des Films „Langue Étrangère“ saß eine Frau neben mir, deren Strumpfhose aufgerissen war. Sie nahm eine Brosche aus ihrem Haarband und tackerte damit die offene Naht zusammen.

Nach einer überlangen und schlecht moderierten Preisverleihung für die europäischen Shooting Stars der Schauspielbranche will ich noch weiter zum Café Moskau, das niemand mehr so nennen möchte außer der Berliner Denkmalschutz. Hier steigt die Berlinale-Party, die alle Uber-Party nennen, weil die Berlinale sie ausrichtet und Uber sie bezahlt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Tanzfläche leuchtet in der Firmenfarbe Grün, in einer Ecke steht der Delorean aus „Zurück in die Zukunft“ ohne Abfahrtszeit herum. Der Rest von diesem Fest ist die Berliner Gegenwart eines Stehempfangs. Diese nächtliche Taxifahrt hätte man sich sparen können.

Weltraumfilme für andere Umlaufbahnen

Woran man nie sparen sollte: Lob. Welche Filme waren denn schon toll? Natürlich „Love Lies Bleeding“, das so schräge wie rasante Liebes-Roadmovie mit Kristen Stewart. Eine Bodybuilderin verliebt sich in die Managerin eines Fitnessstudios, gerät dabei aber in die Abgründe ihrer kriminell um sich schießenden Familie. Irgendwann stapeln sich die Leichen im Tal, werden kaputte Schädel in Teppiche eingewickelt und hinter die Couch geschoben. Dann wieder küssen sich beide Frauen innig und schlafen sich in den Himmel. Es blutet einem das Herz.

Ansonsten ist der Wettbewerb auch in diesem Jahr eher blutleer – aber wann in den vergangenen Jahren war er das nicht? Die Reihen Forum und Panorama bieten wieder einen bunten Rundflug um die Welt. Sogar das deutschsprachige Kino zeigt sich gut gelandet. Matthias Glasners „Sterben“ wird trotz mancher Länge eine halbe Stunde lang mit Standing Ovations gefeiert, „Ivo“ macht eine Liebe in der Palliativpflege nahbar. In „Andrea lässt sich scheiden“ mit Birgit Minichmayr wird der kriminelle Liebes-Roadmovie-Plot in Österreichs Provinz verlegt. Irgendwie ist irgendwas für alle dabei.

So ist die Berlinale wie die Welt: unübersichtlich, rasant, ein Wuschelhaufen. Und für alle, die diese Umlaufbahn verlassen wollen, gibt es mehrere durchgeknallte Weltraumfilme.

Schauspielerin Caroline Hartig liegt ebenerdig auf einer Marmortreppe, im roten Kleid räkelt sie sich für einen Fotografen auf den Stufen. Warum macht sie sowas? „Entweder man geht all in oder man lässt es mit der Berlinale“, antwortet sie. Morgens halb fünf klingelt mein Wecker. Ich muss noch diese Kolumne schreiben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false