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Kultur: Tanz den Ip Man

AUSSER KONKURRENZ Der Eröffnungsfilm „The Grandmaster“.

Ein Werk, hat mal jemand gesagt, sei nie fertig. Man muss nur zum nächsten übergehen. Wong Kar Wai kennt das. Er ist berüchtigt dafür, dass er nicht loslassen kann. Schon 1996 fasste er Pläne für „The Grandmaster“. 2005 begannen die Arbeiten daran. Vier Jahre mussten die Darsteller Kung-Fu trainieren. Zur chinesischen Uraufführung im Januar wurde Wong kaum fertig mit den Schnitt. Und in Berlin ist wieder eine andere Version zu sehen.

„The Grandmaster“ erzählt von Ip Man (Tony Leung) und Gong Er (Ziyi Zhang). Er gehört zur südlichen Kung-Fu-Schule des Wing Chun, sie ist die Tochter eines Bagau-Großmeisters aus dem Norden. 1936 ist der Norden bereits von Japan besetzt, China droht auseinanderzubrechen. Gongs Vater will sich zurückziehen und fordert Ip Man zu einem letzten Kampf. Er will die Kung-Fu-Schulen und das Land versöhnen. Doch sein Ziehsohn und die Japaner durchkreuzen den Plan.

Schon einmal hat Wong Kar Wai sich an den Martial Arts versucht, mit mäßigem Erfolg („Ashes of Time“). Dass er dann mit „In the Mood for Love“ zum Meister der Melancholie wurde, ist „The Grandmaster“ anzusehen. Seit Zhang Yimous „Hero“ und „House of Flying Daggers“ hat man Körper nicht mehr in solcher Schönheit aufeinanderprallen sehen. Die Beinarbeit und die Blicke, das Gleiten, Drehen, Lauern, Stoßen – aus Bildern wird Musik.

Aber den Stilisten Wong interessiert anderes als Yimou. Beide zeigen Kampf als anmutigen Tanz. Während Yimou das Ritual betont, ist es bei Wong Kar Wai die Versenkung. Daher wirken die Zweikämpfe viel intimer. Und die Farben sind nicht symbolisch gesetzt, sondern atmosphärisch – es dominieren Feuer und Schnee. Wong macht sich das Material zu eigen. Alle Melancholie, die er so kunstfertig aufzurufen weiß, zielt immer auf eines: den verpassten Augenblick. Auch „The Grandmaster“ hat solche Momente; er erzählt von Losgerissenen und Versprengten, von der Reue und der Flüchtigkeit der Zeit. Und wieder ist es Hongkong, die Insel zwischen Ländern und Zeiten, wo die Einsamen sich wiederfinden. „Im Leben ist es wie im Schach“, sagt Ip Man. „Ein gemachter Zug bleibt auf dem Brett.“

Doch da Wong zur geteilten Traumwelt seiner Protagonisten noch weitere Welten hinzufügt, bleiben seine Vignetten Stückwerk. „Grandmaster“ wurde erkennbar unter Hast fertiggestellt. Ist es eine verpasste Romanze, die der Film beweint, oder das Ende der Kung-Fu-Clans? Eine Balance findet Wong nicht – beide Stränge sind zu schwach entwickelt, als dass sie wirklich rühren könnten. Es steckt ein besserer Film in diesem Material. Diesmal hat Wong Kar Wai im falschen Moment losgelassen. Entweder zu früh oder zu spät. Wie seine Helden. Sebastian Handke

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