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Kultur: Tauchen kann tödlich sein

Ein Abenteuerfilm reinsten Wassers: „The Life Aquatic with Steve Zissou“ im Wettbewerb der Berlinale

Filme, die besonders ironisch sein wollen, handeln am besten vom Filmemachen. „The Life Aquatic with Steve Zissou“ beginnt mit einer feierlichen Filmpremiere. Man trägt Smoking und Abendkleid, der Regisseur hat in der ersten Reihe Platz genommen, über dem prunkvollen Zuschauerraum liegt hüstelnde Gespanntheit. Dann erlischt das Licht, und auf der Leinwand erscheint ein überraschend kleinformatiges Bild. Zu sehen sind wackelnde Aufnahmen von Fischen und merkwürdig leuchtenden Quallen. Steve Zissou ist ein berühmter Unterwasserforscher und Dokumentarfilmer. Nach dem donnernden Schlussapplaus kommt eine attraktive junge Frau auf ihn zu: „Ich möchte nur hallo sagen.“ Als er sie küssen will, zischt sie – Achtung, Witz! – entrüstet: „Ich will nicht berührt werden!“

Bill Murray spielt diesen schratigen Naturfilmer, das ist die größte Attraktion von Wes Andersons Beitrag im Wettbewerb der Berlinale. Schon in seinem Achtzigerjahre-Erfolg „Ghost Busters“ hatte der gelernte Standup-Komiker einen unheldischen Helden verkörpert, der auch im größten Schlamassel seine Ruhe nicht verliert. In „Lost In Translation“, seinem Comeback-Film, lag zuletzt eine erotisch wirkende Müdigkeit über seinen Zügen. In „The Life Aquatic with Steve Zissou“ geht Murray nun noch weiter.

Aus seinem Gesicht hat er jede Form von emotioneller Regung herausgeräumt, er ist – wie einst Buster Keaton – ein Mann, der niemals lacht. Sein grauer Vollbart verleiht ihm eine hemingwaysche Verwegenheit, die rote Strickmütze ist eine Referenz an den Tauchpionier Jacques-Yves Cousteau, dem der Film gewidmet ist. Cousteau war ein ökologischer Visionär, der seine Expeditionen als Beiträge zur Rettung einer bedrohten Natur zu vermarkten wusste. Steve Zissou, seiner Karikatur, fehlt ein derartiger ideologischer Überbau. Er ist ein Abenteurer reinsten Wassers, der seinen Tatendrang auf eine schlichte Formel bringt: „Keiner weiß, was da draußen passiert, und wir filmen das, das ist das ganze Konzept.“

Bei der letzten Fahrt war sein engster Mitarbeiter von einem riesigen Hai getötet worden, Kapitän Zissou will Rache nehmen und sticht mit seinem Schiff, das originellerweise „Belafonte“ heißt, in See, um den Hai zu jagen. So eine Jagd nach einem phantomhaften Monster kann schnell einen Zug ins Metaphysische bekommen, wie bei Melvilles „Moby Dick“, wo Käpt’n Ahab gegen die göttliche Ordnung rebelliert. Zissous Rebellion ist eher ein letztes, halb resignatives Aufbäumen gegen das eigene Altern. Sein Ruhm hat längst Patina angesetzt, der smarte Konkurrent Alistair Hennessey, von Jeff Goldblum mit extravaganter Naturforscherbrille gespielt, ist dabei, ihm mit einem größeren Schiff den Rang abzulaufen. „Was ist mit mir passiert“, jammert Zissou, „habe ich mein Talent verloren?“

„Die Tiefseetaucher“ – so der deutsche Titel – ist ein hochgradig künstlicher Film, zusammengeklaubt aus maritimen Mythen und dem Fundus der Kinogeschichte. Zissou hat sich – wie Kapitän Nemo, wie die Bösewichter aus den James-Bond-Filmen – ein eigenes ozeanisches Reich erschaffen, er bewohnt eine hochsicherheitstraktartig bewachte Insel abseits der Zivilisation. Bevor die „Belafonte“ den Anker lichtet, stoßen der junge Amerikaner Ned (Owen Wilson), der vielleicht Zissous Sohn ist, und die hochschwangere Reporterin Jane Winslett-Richardson (Cate Blanchett) zu ihm. Zur Crew gehören außerdem noch Zissous hexenhafte, elegant kettenrauchende Gattin (Anjelica Huston), der irre deutsche Kameramann Klaus Daimler (Willem Dafoe), mit dem wohl Klaus Kinski gemeint ist, sowie – ein Gag, der auch von Stefan Raab stammen könnte – etliche Praktikanten. Ein Matrose (Seu Jorge) spielt bei jeder Gelegenheit Bossa- Nova-Versionen von David-Bowie- Songs auf seiner Gitarre.

Wes Anderson arbeitet inzwischen mit dem Budget eines großen Hollywood-Studios, hat sich aber die Kindsköpfigkeit eines Independent-Filmers bewahrt. „The Life Aquatic with Steve Zissou“ bewegt sich – ähnlich wie die vertrackte Familienkomödie „The Royal Tenenbaums“, mit der der Regisseur bei der Berlinale 2002 aufgefallen war - in einem eigenen ästhetischen Kosmos. Mitunter sind die Details der Ausstattung so ausgeklügelt, dass man bei einigen Bildern gerne, wenn das im Kino denn ginge, die Pausen-Taste drücken würde. Zissou und seine Mannschaft tragen Uniformen im Sixties-Chic und eigens designte Adidas-Sportschuhe, auch Computer, Telefone und die sonstigen technischen Geräte bestechen durch ihren retrofuturistischen Look. Es gibt sogar ein an der Längsseite aufgeschnittenes Holzmodell der „Belafonte“ im Maßstab 1:1, in dem man die Schauspieler treppauf, treppab durch das Schiff klettern sieht.

Was dem Film fehlt, ist der Wille, die visuellen Einfälle und schlaumeiernden Anspielungen zu einer wirklichen Geschichte zusammenzufügen. Alle Standardsituationen eines Hochseeabenteuers werden durchgespielt, von einem Überfall durch philippinische Piraten bis zur Meuterei. Spannender wird „The Life Aquatic with Steve Zissou“ dadurch nicht, man verfolgt diese Genre-Pirouetten mit zunehmendem Überdruss. Wes Anderson will offenbar vor allem eine Vater-Sohn-Geschichte erzählen, aber weil er sich im Dekor verliert, kommt ihm die Haltung abhanden. „The Life Aquatic with Steve Zissou“ ist superironisches Kino-Kino, der Tauchgang in eine fremde seltsame Welt, die einem kalt und belanglos vorkommt.

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