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Wüstenschatz. Kulturminister Riad Ismat und ein antiker Greif.

© Olaf M. Teßmer

Tell-Halaf-Ausstellung: Die Wiege der Menschheit

Der syrische Kulturminister Riad Ismat spricht im Interview über Geschichte und Zukunft der deutsch-syrischen Zusammenarbeit in der Archäologie. Derzeit sind die Götter von Tell Halaf auf der Museumsinsel zu sehen.

Ansturm auf die Antike. Zehntausend Besucher wurden in den ersten Tagen der Ausstellung „Die geretteten Götter vom Tell Halaf“ gezählt. Im Pergamonmuseum sind seit letzter Woche die in jahrelanger Detektivarbeit wiederhergestellten Statuen aus der syrischen Wüste zu sehen, die in den zwanziger Jahren von dem deutschen Archäologen und Abenteurer Max von Oppenheim nach Berlin gebracht und bei Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Zu den ersten Besuchern zählte Riad Ismat, seit Oktober 2010 Kulturminister Syriens. Er arbeitete davor als Drehbuchautor, Theaterregisseur und Schriftsteller und war Botschafter in Pakistan und Katar.

Herr Ismat, wie gefällt Ihnen die restaurierte „Göttin von Aleppo“ im Pergamonmuseum, die syrische Leihgabe, die hier einer Schönheitskur unterzogen wurde?
Sie macht uns die reiche Mythologie der syrischen Kultur bewusst, die parallel zu der großen griechischen Mythologie besteht. Dieser Reichtum, diese Vielfalt sind ein internationales Erbe, und man wird auch daran erinnert, dass Syrien als „Wiege der Kultur“ gilt.

Wie wird Max von Oppenheim, der deutsche Entdecker von Tell Halaf, heute in Ihrem Land gesehen?

Baron von Oppenheim ist in Syrien in archäologischen Kreisen wohl bekannt. Seine Ausgrabungen und Beobachtungen der Natur und der lokalen Bräuche der Beduinen haben bei vielen deutschen Wissenschaftlern das Interesse an Syrien geweckt. 2006 hat eine deutsch-syrische Mission mit neuen Grabungen im gleichen Gebiet begonnen – da sieht man, dass der Geist von Baron von Oppenheim immer noch inspirierend wirkt.

Deutschland und Syrien haben eine lange Tradition in der archäologischen Forschung. Wie sehen Sie die Perspektiven?

Ich glaube, dass die gemeinsamen Grabungen uns ermutigen, die Zusammenarbeit fortzusetzen und zu verstärken. Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass gegenwärtig eine große Zahl ausländischer Missionen an 5000 Orten arbeitet, einige von ihnen sind dort schon seit drei Dekaden tätig. Gewiss sind die deutschen Beiträge zu Archäologie und Orientwissenschaften hoch geschätzt in Syriens Kulturkreisen. Wir glauben, dass die deutschen Orientwissenschaften im Allgemeinen objektiv waren – gewiss auch von einer kolonialen Herangehensweise geprägt, aber bestimmt nicht von einer imperialen.

Haben Sie bei Ihrem Besuch in Berlin jetzt neue Projekte erörtert?

Ich habe einige neue Vorschläge zum Austausch auf dem Gebiet der archäologischen Ausbildung mitgebracht, die positiv aufgenommen wurden. Man muss wissen, dass nicht wenige syrische Graduierte ihren Abschluss in Archäologie an deutschen Universitäten machen.

Die vielen Grabungen, die Sie erwähnt haben, bringen jede Menge an neuen Funden zutage. Sind dafür neue Museen, auch in entlegenen Provinzen geplant, um auch den Tourismus in Syrien voranzubringen?

Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Wir haben ein ambitioniertes Projekt auf den Weg gebracht, das die Entwicklung von Museen und Weltkulturerbestätten umfasst. Es hat zum Ziel, 35 Museen und Exzellenzzentren über ganz Syrien verteilt zu bauen, von Damaskus über Aleppo bis Al-Hassaka. Wir haben die Zusammenarbeit mit dem Louvre und anderen großen französischen Institutionen begonnen, hoffentlich bald auch mit deutschen und anderen europäischen Institutionen.

Die Staatlichen Museen Berlin haben erklärt, dass auch Museen in London, Paris und New York Interesse an den Kunstwerken von Tell Halaf haben. Was sagen Sie dazu?

Es ist eine sehr gute Initiative, einige der syrischen Kunstwerke einem europäischen Publikum zu zeigen, nicht nur in Deutschland, sondern auch in einigen anderen Hauptstädten. Wir werden das unterstützen.

Archäologie kann also der Diplomatie helfen?

Das ist wahr. In Syrien hoffen wir jetzt auf aktivere deutsche Anstrengungen, um die Probleme des Nahen Ostens zu lösen, gerade wegen der historischen Beziehungen und der Haltung und der Glaubwürdigkeit, die Deutschland in internationalen Foren genießt. Wir glauben, dass Deutschland mit seiner Balance zwischen Prinzipien und Interessen eine vitale und positive Rolle bei dem Entschärfen der Spannungen und Kriegsgefahren spielt, dass es dabei hilft, eine faire und akzeptable Lösung gemäß den UN-Resolutionen, dem internationalen Recht und den legitimen Interessen der Araber zu erarbeiten, damit der Frieden sich in unserem Teil der Welt durchsetzen kann.

Sie haben als Dramatiker, Drehbuchautor, Schriftsteller gearbeitet, nun sind Sie Kulturminister. Sehen Sie neben der Archäologie weitere Kooperationsmöglichkeiten?

Wir müssen unsere Zusammenarbeit auf allen kulturellen und künstlerischen Gebieten verstärken. Ich meine, dass deutsche Exilkünstler in den USA wie Robert Siodmak, Billy Wilder und Fritz Lang der amerikanischen Filmindustrie zu ihrem weltweiten Siegeszug verholfen haben. Ganz zu schweigen davon, wie sehr das deutsche Theater die arabische Welt beeinflusst hat, von Goethe angefangen, der den Geist des Orients bewundert hat, bis Brecht, der vom chinesischen Theater beeinflusst war und der mit seiner Theorie des Epischen Theaters einen sehr starken Einfluss auf das arabische Theater ausgeübt hat.

Das Gespräch führte Rolf Brockschmidt.

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