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Kultur: Terror und Geistesfreiheit Rau gedenkt Bücherverbrennung

Politische Zensur, die Verfolgung und Vertreibung oder gar das spurlose „Verschwinden“ kritischer oder andersdenkender Schriftsteller sind nicht ein überkommenes historisches Phänomen, sondern ein aktuelles Problem. Allein im letzten Jahr meldete das P.

Politische Zensur, die Verfolgung und Vertreibung oder gar das spurlose „Verschwinden“ kritischer oder andersdenkender Schriftsteller sind nicht ein überkommenes historisches Phänomen, sondern ein aktuelles Problem. Allein im letzten Jahr meldete das P.E.N-Zentrum 1153 Fälle von Repression gegen missliebige Autoren. Daran erinnerte Bundespräsident Johannes Rau bei einer Gedenkveranstaltung aus Anlass des 70. Jahrestages der Bücherverbrennung, zu der unter anderen das P.E.N-Zentrum Deutschland und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in der Akademie der Künste geladen hatten. Die „Mahnung dieses Tages“ sei, dass das Recht auf Meinungsfreiheit, das in der Menschenrechtserklärung festgeschrieben ist, in Europa und überall in der Welt zur Geltung kommen müsse. Es sei erschreckend, dass „die Verfolgung von Schriftstellern nach dem 11. September 2001 weltweit zugenommen hat.“ „Auch im Kampf gegen den Terrorismus sind nicht alle Mittel erlaubt“, mahnte Rau.

Dann gehörte die Bühne der verfolgten Literatur: Zehn deutsche Gegenwartsautoren, unter anderen Walter Jens, Erich Loest, Carola Stern, Christa Wolf und Rolf Hochhuth lasen aus den Büchern ihrer von den Nazis verfemten Kollegen. Zumeist Passagen, in denen Romain Rolland, Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Oskar Maria Graf, Bert Brecht oder Anna Seghers die „Pyrotechniker der Macht“, die sich „gegen Deutschland verschworen haben“, anklagten und pointierte Einblicke in die geistigen Grundlagen der Republik gaben, die auf dem Scheiterhaufen landeten. Wohl mehr als eine symbolische Ehrung über Epochengrenzen hinweg. Denn: „Warum erzähle ich das? Weil immer, wenn von der Vergangenheit gesprochen wird, auch von der Zukunft die Rede ist!“ So Erich Kästner, der auf dem Berliner Opernplatz Zeuge war, wie seine Bücher unter dem Beifall der Menge verbrannt wurden.

Weitere Veranstaltungen zum 70. Jahrestag der Bücherverbrennungen: Literaturfest Unter der Linden (Samstag 10–22 Uhr); Lesung im „Künstlerklub Die Möwe“ mit Henning Westphal, Jutta Rosenkranz und Werner Treß (Samstag, ab 16.00 Uhr); Literaturabend im Jüdischen Museum mit Ernst Cramer, John von Düffel, Birgit Vanderbeke und Michael Lentz (Samstag, ab 18.30 Uhr); Akademie der Künste/Topographie des Terrors: Vortrag und Lesung mit Micha Ullman, Reinhard Rürup, Christian Brückner und Peter Fitz, Akademie der Künste (Sonntag, 11.00 Uhr) .

Gerwin Klinger

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