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Kultur: The Cat

Zum Tod des Jazz- Organisten Jimmy Smith

Alfred Lion, Chef der legendären Jazzplattenfirma „Blue Note“, erklärte 1956 seiner verdutzten Frau: „Ich steige aus, ich gebe Blue Note ab. Damit ich mit Jimmy Smith umherreisen kann. Ich will ihn von jetzt an jeden Abend hören.“ Jimmy Smith an der Hammond Orgel, diesem verunglückten braunen Kasten, der eigentlich klingen sollte wie eine Kirchenorgel und statt dessen pfiff, klackte und quäkte: Das war reine Euphorie, wild wütender Tastensturm. Doch wie virtuos er auch spielte, es war sein Gefühl – die tiefe Verankerung im Blues, das Gespür für den Turbokick im richtigen Moment –, das ihn von allen vorigen Jazzorganisten abhob. Und das ihm bis heute den Ruf als „Herrscher der Hammondorgel“ sichert.

Smith kam 1955 quasi aus dem Nichts. Er hatte nach dem Zweiten Weltkrieg Musik studiert, sich anschließend als Pianist in diversen Rhythm& Blues-Bands in Philadelphia durchgeschlagen. Bis er eines Abends Wild Bill Davis hörte, den Organisten einer Swingband. „Als er fertig gespielt hatte, schlich ich mich auf die Bühne und drückte die Tasten. Es fühlte sich weich an. Ich wusste, ich konnte darauf spielen“. Smith lieh sich Geld für seine erste Hammond, mietete eine Lagerhalle, zog sich Monate lang dorthin zum Üben zurück. Als er wieder auftauchte, hatte er den Jazz verändert. Alfred Lion gab ihm sofort einen Plattenvertrag, schon aus dem Titel der Debüt-LP spricht die Euphorie: „A New Sound, A New Star: Jimmy Smith at the Organ“.

Soul-Jazz war ab diesem Moment in aller Munde, nach einem Jahrzehnt des überintellektuellen Bebop und dem Understatement des Cool Jazz war das Verlangen groß nach der Rückkehr des Gospel-Gefühls in die Musik. „Home Cookin’“ hieß eine LP von Smith – sich auf die Südstaatenwurzeln zu berufen, war wieder angesagt im schwarzen Amerika. Ein paar Jahre lang schien Soul-Jazz gar geeignet als Soundtrack der Bürgerrechtsbewegung. 1962, nach 30 Alben für „Blue Note“, wechselte Smith zu „Verve“ und schaffte dort mit Alben wir „The Cat“ den kommerziellen Durchbruch.

In den Siebziger Jahren ließ sich Smith mit seiner Familie in Los Angeles nieder, mit seiner Ehefrau eröffnete er „Jimmy Smith’s Supper Club“, wo er auftrat, wenn er nicht gerade auf Tournee war. Doch sein Soul-Sound kam mit der Zeit aus der Mode. Erst als die DJs des Acid Jazz in den Neunzigerjahren die alten Blue Note-Platten hervorkramten, war Smith plötzlich wieder gefragt. Noch einmal spielte er einige hervorragende CDs ein, etwa die Live-Aufnahme „The Master“ (Blue Note) von 1993. Bis zuletzt reiste er durch die Welt, im letzten Herbst trat er noch einmal im Berliner A-Trane auf. Die Basslinien spielte er nicht mehr selbst, für Zugaben fehlte ihm die Kraft. Am Dienstag ist Smith, dessen Alter jahrelang falsch angegeben wurde, mit 76 Jahren in seinem Haus in Phoenix, Arizona, gestorben.

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