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Domröse  Glatzeder

© Tsp

Theater: Glück der Tränen

35 Jahre später: Die Rückkehr von Paul und Paula. Domröse und Glatzeder im Hans-Otto-Theater Potsdam.

Eine lustige Geschichte. Filumena, die Geliebte eines reichen Mannes, fordert nach 35 Jahren Dienstbarkeit ihre Rechte ein. Mit einem Trick. Der verfängt nur ein paar Tage, aber schließlich gibt der Geliebte nach. Den drei erwachsenen Söhnen Filumenas, von denen er nichts wusste, kann er nicht widerstehen. Heirat, Küsse, Umarmungen. Keine lustige Geschichte. Eine nicht mehr junge Frau kämpft um ihre Würde. Es braucht Härte, die Zukunft der Söhne zu sichern, von denen einer den großen Herrn zum Vater hat. Es braucht Klugheit, diesen einen nicht preiszugeben, damit auch die anderen geschützt bleiben. Und es braucht die emotionale Anspannung eines ganzen Frauenlebens, ein bisschen Glück zu erstreiten, endlich den Tränen nachzugeben. Nach der Hochzeit dann kann Filumena weinen, vor Glück.

In der Aufführung von Eduardo De Filippos neapolitanischer Komödie „Filumena Marturano“ am Hans-Otto-Theater Potsdam, die den verkürzten Titel „Filumena“ trägt, ist es ein Weinen zum Tode. Ein Tod, den die geduldete Haushälterin erst vortäuscht und dann erleidet, als sie am Ziel ist. Der Autor hat dieses Ende nicht vorgeschrieben, aber es gibt der Inszenierung von Petra Luisa Meyer Würze. Um Ort und Zeit der Komödie kümmert sich die Regisseurin nicht, sie lässt die sozialen Bedingungen der dreißiger Jahre draußen, auf denen Filumenas Geschichte (Uraufführung 1946 in Neapel) beruht. Ihr geht es um die reine Anstrengung, ein Leben zu erstreiten, das Sinn hat, in der Gründung und Verteidigung einer Familie.

Kein Boulevard also, aber auch nicht lastender Ernst. Im Bühnenbild von Matthias Schaller, einem hallenartigen Raum mit Blick auf gebirgige Landschaft, wird mit Wasser und Schnee nicht gespart. Es gibt mancherlei Abenteuer – die Schlägereien zwischen den Söhnen oder den Sängerwettstreit der drei jungen Herren, und schließlich den gescheiten Spaß um das süffisante Bescheidwissen der „vertrauten“ Hausangestellten – Lichtpunkte im Kampf zwischen Filumena und dem reichen Domenico. Angelica Domröse und Winfried Glatzeder spielen das ungleiche Paar. Seit Jahrzehnten stehen sie wieder gemeinsam auf der Bühne und knüpfen an Heiner Carows Defa-Film „Die Legende von Paul und Paula“ von 1973 an. Im Film übrigens bezahlt Paula wie Filumena im Theaterstück ihr erstrittenes Glück mit dem Leben.

Angelica Domröse macht zum Ereignis, dass Filumena arbeitet mit Anstrengung und einem Witz, den sie im Verborgenen halten muss. Eine Frau steht auf der Bühne, die sich unter Kontrolle hält, das Spitzbübische, die Momente der Naivität selbst genießt. Angelica Domröse betont die Kraft, die Wut der Filumena und ist dann wieder schelmisch mädchenhaft. Hingabe an das große Gefühl, mit opernhaftem Auftreten, wechseln mit mühsam niedergehaltener Trauer – und am Ende kommt tief berührend das Glück der Tränen, mit dem plötzlichen Fallenlassen. Winfried Glatzeders Domenico ist der geschmeidige Herr, verwundert ob des Theaters, das Filumena anrichtet. Bestechend die Ironie, mit der Glatzeder den Lebemann auszeichnet – er baut das Großspurige eines eitel Rücksichtslosen lustvoll auf. Behände fügt sich dieser Domenico in die Niederlage der Eheschließung – und genießt sie auf fast kindliche Weise.

Monica Lennartz als Rosalia, Günter Rüger als Alfredo, Ulla Schlegelberger als Lucia dosieren die boshaften Kommentare zur großen Geschichte um ihre Herrin Filumena mit hintergründiger Heiterkeit. Diese große Geschichte allerdings verliert im ersten Teil durch überflüssige Gefühlspusselei an Fahrt. De Filippos Empfehlung, nicht länger als zwei Stunden zu spielen, wird deutlich verfehlt. Aber bei Domröse und Glatzeder, bei Filumena und Domenico, bei Paul und Paula fällt das nicht ins Gewicht.

Weitere Vorstellungen heute sowie am 20., 25. und 31. Januar

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