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Auch Oliver Reese, der ab August 2017 die Leitung des Berliner Ensemble übernimmt, war beim Symposium dabei.

© dpa

Theater-Symposium an der Akademie der Künste: Arme Schweine, böse Sonnen

Mitbestimmung ist kompliziert und anstrengend, auch am Theater. Das ist eine Erkenntnis des Symposiums "Ensemble heißt: gemeinsam", das an der Akademie der Künste stattfand.

Viele Stunden sind vergangenen, noch mehr erregte Worte gefallen, etliche Karaffen Wasser geleert worden. Jetzt hat sich die Nacht über das Brandenburger Tor gesenkt und man verlässt die Akademie der Künste am Pariser Platz mit einer Erkenntnis, zu der schon Generationen von Wohngemeinschaften und K-Gruppen gelangt sind: Mitbestimmung ist eine komplizierte und anstrengende Angelegenheit.

Auf dem Symposium mit dem Titel „Ensemble heißt: gemeinsam“ ging’s zuvor um die Frage, ob der gemeine Schauspieler am Stadttheater nur brav die Kostüme über die Bühne tragen soll oder ob er ein Wörtchen mehr mitreden müsste. Bei Stückauswahl, Besetzung und Arbeitsbedingungen. Angestoßen hat diese Debatte die Gruppe Ensemble-Netzwerk, die vor allem Theaterschaffende vernetzen will und mit Aktionen wie „40 000 Theatermitarbeiter*innen treffen ihre Abgeordneten“ öffentlichkeitswirksam geworden ist.

Schauspieler schlechter bezahlt als Parkwächter?

Mitgründerin Lisa Jopt, Schauspielerin am Oldenburgischen Staatstheater, bekundet auf dem ersten von drei Podien noch mal, dass sie es schwierig findet, auf Konzeptionsproben Bühnenbilder vorgesetzt zu bekommen, in denen sie nicht spielen kann, oder Regisseure, mit deren Arbeitsweise sie nicht klarkommt. Neben ihr nickt weise Elisabeth Schwarz, eine Veteranin des Frankfurter Mitbestimmungstheaters von Peter Palitzsch in den 70ern, das sie heute allerdings für „in dieser Größenordnung gescheitert“ erklärt.

Sei’s drum, jede Generation hat das Recht auf ihren eigenen Revolutionsversuch. Den formuliert der Dozent und Buchautor Thomas Schmidt („Theater, Krise und Reform“) mit der Forderung nach einer „kopernikanischen Wende“ in unserem Theatersystem, das seiner Ansicht nach viel zu sehr um die Sonne kreist, will heißen: den Intendanten. Wo doch das Ensemble als Zentrum aller Bewegung gesehen werden müsste. Allein, die Verhältnisse, sie sind nicht so. Der Schauspieler ist das ärmste Schwein unter der Sonne.

„Skandal!“, schreit Ludwig von Otting, und das nicht nur einmal. Er war mal Kaufmännischer Direktor des Hamburger Thalia Theaters und sitzt heute als Anwalt der Entrechteten im Vorstand des Ensemble-Netzwerks. Schauspieler, echauffiert er sich, würden „schlechter bezahlt als ein Parkplatzwächter“ und seien die am wenigsten geschützte Berufsgruppe.

Oliver Reese: „Freie Regisseure haben die beschissenste Position!“

Und was sagen die Sonnen zu alldem? Oliver Reese zum Beispiel, noch Frankfurter Intendant und bald Peymann-Nachfolger am Berliner Ensemble, gibt zu bedenken, dass ein Schauspieler, der über die Stückauswahl mitentscheiden soll, ja auch wie er 120 Stücke pro Spielzeit lesen müsste. Wer hat so viel Zeit? Und auch davon, Regisseure zu entsorgen, wenn nicht alle im Ensemble ihre Arbeitsweise dufte finden, hält er nicht allzu viel: „Freie Regisseure haben die beschissenste Position am Theater!“ Smarter Typ. Mit dem kann’s in Berlin unterhaltsam werden.

Grips-Gründer Volker Ludwig, der seit Stunde null ein Mitbestimmungsmodell an seinem unterfinanzierten Haus pflegt, schnauft ob der Schilderungen seiner Stadttheaterkollegen irgendwann den schönsten Satz des Abends: „Das meiste, wovon ich hier höre, sind paradiesische Zustände.“

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