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Kultur: Ticken, klopfen, spritzen

Rebecca Horn erhält in Berlin den mit 50 000 Euro dotierten Piepenbrock-Preis für Skulptur

Mit ihrem feuerroten Haar, dem feinen Gesicht, dazu dem bauschigen dunklen Oberkleid über schmalen Hosenbeinen wirkt sie von Ferne selbst wie jener fremde Vogel, den sie in ihren Performances in den Sechziger- und Siebzigerjahren mittels einer Ganzkörper-Federmaske erschaffen hat. Der Eindruck eines exotischen Geschöpfs verstärkt sich noch einmal in der Umgebung: Die Künstlerin steht umringt von lauter Anzugträgern. Ein großer Tag, denn Rebecca Horn erhält den zum zehnten Mal verliehenen Piepenbrock-Preis für Skulptur; mit 50 000 Euro ist er die höchstdotierte Auszeichnung für Bildhauerei in Europa. Gestern Mittag wurde er ihr im Rahmen eines Festaktes im Hamburger Bahnhof überreicht. Ein Stelldichein ersten Ranges für Sammler, Mäzene und finanzkräftige Freunde der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, denn den alle zwei Jahre vergebenen Preis stiftet ein Privatmann: der Berliner Unternehmer Hartwig Piepenbrock mit seiner Frau Maria-Theresia. Die Anwesenheit von Bundespräsident Horst Köhler bei dieser Feierstunde unterstrich noch einmal die Wertschätzung dieses Aktes auch auf höchster staatlicher Ebene, die Bedeutung bürgerlichen Engagements auf dem kulturellen Sektor.

Rebecca Horn (Jahrgang 1944) reiht sich ein in eine Phalanx hochmögender Skulpteure: Max Bill, Eduardo Chillida, Anthony Cragg und Dani Karavan. Mit ihr erhält zum ersten Mal eine Frau den Preis, in einer Sparte, in der ansonsten nur wenige Künstlerinnen reüssieren. Umso besser trifft es sich, dass ab 5. Oktober im Martin-Gropius-Bau ihre Retrospektive „Bodylandscapes“ zu sehen ist. Die zuvor schon in Düsseldorf, Lissabon und London gezeigte Schau gibt einen Überblick über ihr fern von gängigen Bildhauerei-Vorstellungen angesiedeltes Schaffen. Ja, sie zertrümmere geradezu den klassischen Begriff, erklärte der Laudator Werner Spies, indem sie die verschiedenen Medien einbeziehe. Die heute in Berlin und Paris lebende Künstlerin arbeitet zugleich als Performerin, Filmemacherin, Dichterin. Mit ihren skulpturalen Raum-Installationen, den tickenden, klopfenden, spritzenden, streichelnden Kunstmaschinen aus Vogelfedern, Geigenkörpern, Metallhammern, mit farbiger Flüssigkeit gefüllten Phiolen, lockt Rebecca Horn in ein Labyrinth der unterschiedlichsten Betrachtungsweisen und emotionalen Reaktionen. Und doch ist sie nie der kühle Souverän dieser poetischen Arrangements, sondern sie zeigt ihre eigene Verletzlichkeit und Verwirrung. Das Bild des Vogels, das sie am Anfang ihrer Laufbahn für sich gefunden hat, ist insofern noch immer treffend: eines flüchtigen Tieres, das vorsichtig und kraftvoll zugleich nach seinem Standpunkt sucht.

Zum großen Piepenbrock-Preis gehört immer auch das Küken. Den mit 12 500 Euro dotierten Förderpreis für Skulptur erhält der 1970 geborene Kounellis-Meisterschüler Felix Schramm, dessen Ausstellung noch bis zum 3. September im Hamburger Bahnhof zu sehen ist: eine furiose Installation, die den gesamten Ausstellungsraum einbezieht. Beim Eintreten bohrt sich dem Betrachter eine Wandecke durch einen Raumteiler entgegen. Von hinten erweist sich das vorkragende Stück als kleinster Teil eines komplett zur Skulptur uminterpretierten Raumes.

Die abstrakte architektonische Skulptur zeigt anschaulich, dass Bildhauerei immer in Auseinandersetzung mit dem umgebenden Raum geschieht, wobei das menschliche Maß den Ausschlag gibt. Neben der Museumsausstellung – und dem davon erhofften Karrierekick – gehört zum Förderpreises ein Lehrauftrag an der Universität der Künste, wo Rebecca Horn ebenfalls unterrichtet. Darin erschöpfen sich auch schon die Gemeinsamkeiten zwischen dem jungen Berserker und dem zarten Vogel.

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