zum Hauptinhalt

Kultur: Töne suchen, wo sie liegen

WELTMUSIK

Altsaxofon gegen Basstuba. Sieben wohl genährte Serben pressen viel Luft in ihre strahlenden Blasinstrumente. Gegenüber stehen drei filigrane Sängerinnen aus Skopje und Sofia mit schwermütigem Gesichtsausdruck. Vorne sitzt der stämmige Schlagwerker. Mit großen Klöppeln rührt er, glatzköpfig und an den Oberarmen tätowiert, die Basstrommel zwischen den Beinen. Aber sein heiserer Gesang dazu wirkt zerbrechlich. Beinahe zärtlich klingt sein Akkordeon.

Es ist ein Konzert voller Kontraste, das Goran Bregovic auf der Museumsinsel präsentiert. In weißem Anzug setzt sich der Bandleader zu seinen Musikern, zupft verhalten auf der E-Gitarre, singt und dirigiert das mächtige Ensemble lustvoll mit dem kleinen Finger. Die Bläser geben Dampf, bis der Speichel aus spitzen Trompeten und knarzenden Tubas fließt. Ein Überholmanöver in Hochgeschwindigkeit auf der berüchtigten Autoput. Elektronische Beats donnern wie Motorengeräusch aus vier Zylindern. Gegenverkehr muss ausweichen. Doch immer wieder mahnt der mehrstimmige, betörende Frauenchor zur Umsicht, das Tempo verringert sich, zwischen Gewitterwolken erscheint ein Regenbogen. In solchen Momenten feiert Bregovics berauschender Balkan-Groove andächtige Stille, die perkussive Wucht mündet in ausgeklügelte Melodien. Bregovic, der auch den Soundtracks zu Kusturica-Filmen geschrieben hat, bricht Folklore und Mythen im Spiegel einer subversiven Moderne. Tango, Twist, Rock und historische Trachten – für alles ist Platz auf Bregovics Balkan. Das Publikum tanzt sich mit erhobenen Armen in Rage. Hier hat Stillstand keine Chance.

Roman Rhode

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false