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Kultur: Touristenpark Berlin

Die documenta-Macherin Catherine David und ihre "Lektion"VON NICOLA KUHNEine artige Verbeugung vor der Nachbarnation, Komplimente für deren Hauptstadt - das hatte wohl niemand von Catherine Davids "Berliner Lektion" im Renaissance-Theater erwartet.Zu einer Abrechnung mit dem Land, mit den Menschen, die so wenig Verständnis für ihre documenta gezeigt hatten, kam es am Sonntagvormittag dennoch nicht.

Die documenta-Macherin Catherine David und ihre "Lektion"VON NICOLA KUHNEine artige Verbeugung vor der Nachbarnation, Komplimente für deren Hauptstadt - das hatte wohl niemand von Catherine Davids "Berliner Lektion" im Renaissance-Theater erwartet.Zu einer Abrechnung mit dem Land, mit den Menschen, die so wenig Verständnis für ihre documenta gezeigt hatten, kam es am Sonntagvormittag dennoch nicht.Die französische Ausstellungsmacherin ging zwar streng mit ihrem Gastland ins Gericht, gab aber Berlin als Freundin wohlmeinende Ratschläge auf den Weg.So machte die Chefin der rundum als unsinnlich gescholtenen documenta X keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung über die Deutschen: "Ich bin erstaunt über den Mangel an kritischem Geist und die Schwierigkeit, aus einem Konsensus herauszukommen." Außerdem mahnte sie mehr Toleranz und Gelassenheit im Umgang mit den neuen Bundesländern an.Häufig habe sie sich unwohl gefühlt bei den Reaktionen auf den Osten, sagte David, die die Wiedervereinigung zudem als "zu schnell" beurteilte. Berlin selbst betrachtete die Referentin, die sich vor allem als Europäerin empfindet, gleichermaßen mit Sympathie und Sorge.Die Stadt sei eine "Post-Metropole", hin- und hergerissen zwischen den transnationalen Strömungen.Berlin müsse exemplarisch für Europa Strategien einer Identitätsfindung entwickeln.Ihre großen Momente hatte die einer Suada gleichende Lektion, als Catherine David von Berlin als Stadt des Palimpsests sprach, der übereinandergelagerten historischen Schichten.In ihr müsse es auch Orte der Leere geben als Räume der Erinnerung.Ansonsten werde Berlin zu einem "Themenpark für Touristen".Typisch für dieses Defizit sei der Umgang mit Architektur."Es wird immer mehr zubetoniert, weil man nicht nachdenken will", beklagte sie.Nur Libeskind mit seinem Jüdischen Museum habe die Leere riskiert. Wenig überzeugend wirkte die documenta-Macherin bei dem Versuch, diese Überlegungen mit ihrem Kasseler Ausstellungskonzept zu verknüpfen.Wie schon im Vorfeld der documenta selbst verlor sie sich hier in allgemeinen Betrachtungen über ökonomische und geopolitische Entwicklungen, die Verschiebung des Verhältnisses von Zentrum und Peripherie.Ebenso unbefriedigend wirkten auch ihre Reflexionen über den Zusammenhang von Ästhetik und Politik.Die Zuhörer im Renaissance-Theater erfuhren allenfalls, daß hier bestimmte Dinge nicht zu Ende gedacht würden, sich dahinter reaktionäre Haltungen versteckten.Unfreiwillig demonstrierte die Referentin, worin womöglich zahlreiche Mißverständnisse der vergangenen Monate begründet liegen: Nicht nur für ihr Publikum, sondern vor allem für sich selbst hat Catherine David die Latte zu hoch gehängt.So mag sie auch sich in die an Festspiele GmbH und Bertelsmann als Gastgeber gerichtete Kritik einschließen: Berlin-Kommentare, -Lektüren, -Lektionen litten nicht nur unter einem Modeeffekt, sie seien auch noch "immanent oberflächlich".

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