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Kultur: Träume und Räume

Jedediah Berrys „Handbuch für Detektive“

Wann immer ein Rezensent nicht weiterkommt, greift er zu der Floskel von der „Traumlogik“, der ein Roman angeblich folgt. Das heißt übersetzt: Der Rezensent hat den Roman nicht verstanden, seine inneren Zusammenhänge nicht erkannt – oder aber erkannt, dass der Roman keine inneren Zusammenhänge hat. Das aber würde er niemals zugeben. Jedediah Berrys Debütroman folgt eindeutig einer Traumlogik. Oder er ist ein Traum. Oder er spielt komplett in einem Traum. Das „Handbuch für Detektive“ überquert mit Brachialgewalt sämtliche Genregrenzen zwischen Krimi, Science-Fiction und Surrealismus.

Durch eine Stadt am Meer, in der es ständig regnet (oder eben durch seine eigenen Träume und durch die von anderen), geistert ein Mann namens Charles Unwin, der sich ohne sein Zutun vom Schreiber in einer großen und in ihrer Struktur labyrinthischen Detektivagentur zum Detektiv befördert sieht. Das Handbuch für Detektive, das er als Leitfaden bekommt, ist wie Berrys Roman in 18 Kapitel unterteilt, dessen letztes aber unter Verschluss gehalten wird: „Über Traumüberwachung“. Welchen Fall Unwin aufklären soll oder ob überhaupt, scheint nicht wichtig; Berry führt seinen somnambulen Helden durch eine Reihe von Bildern und Szenen, in denen sich das Personal, allen voran der Oberschurke Enoch Hoffmann, dem es einmal gar gelungen ist, einen ganzen Tag im Kalender zu stehlen, in permanenter Rotation befindet. Zu Beginn macht all das sogar Spaß. Doch zunehmend entwickelt Berry einen Hang zum Dampfhammerprinzip: Seine Reminiszenzen an Kafka sind so langweilig (dass so etwas nie gut geht, müsste einmal ins ewige Handbuch für Autoren) wie die permanenten Hinweise auf die – nun ja – Traumlogik aufdringlich. „Ventilatoren rotierten über ihren Köpfen und brachten frische Luft in Gedankengebäude, in denen ungekannte Visionen hausten. Oder auch bekannte Visionen, rief sich Unwin ins Gedächtnis.“

Aus dem sprachlichen Fertigbaukasten für Unwirklichkeitsszenarien hat Berry sich reichlich bedient. Irgendwann beißt sich die Katze in den Schwanz – und es beschleicht einen das Gefühl, dass Berrys wabernde Verwirrungstechniken nur reiner Selbstzweck sind. Große Kulisse, dahinter im wahrsten Sinne des Wortes: gähnende Leere. Christoph Schröder

Jedediah Berry: Handbuch für Detektive. Roman. Aus dem Englischen von Judith Schwaab. Verlag C. H. Beck, München 2010. 384 Seiten, 19,95 €.

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