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Kultur: Traumwandlerisch

Son Volt gelten für viele als Vertreter der neueren amerikanischen Country-Bewegung, und so mag es irritieren, daß ihr neues Album "Wide Swing Tremolo" mit einer heftig sägenden Garagen-Nummer eröffnet.So beginnen sie auch ihr Konzert am Donnerstag im Knaack Club: Knackig rockend.

Son Volt gelten für viele als Vertreter der neueren amerikanischen Country-Bewegung, und so mag es irritieren, daß ihr neues Album "Wide Swing Tremolo" mit einer heftig sägenden Garagen-Nummer eröffnet.

So beginnen sie auch ihr Konzert am Donnerstag im Knaack Club: Knackig rockend.Jay Farrars etwas nölig zerdehnter, warmer Gesang begleitet von klassischer Besetzung.Schlag auf Schlag folgt ein Song dem nächsten aus dem neueren und älteren Fundus von Farrars formidablem Songwriting.Der Sound ist voll und rund, angenehm in der Lautstärke, und alles klingt weitaus lebendiger als auf Platte.Das Publikum wippt und tänzelt von Anfang an.

Doch während die vier Musiker beseelt vor sich hinspielen, wirken sie wie die Köpfe vom Mount Rushmore: in Stein gehauen, unbeweglich.Einen ganzen Auftritt lang lächeln sie nicht, reden nicht.Nicht miteinander, nicht mit dem Publikum.Und sehen sich nicht einmal an, wenn sie die Instrumente wechseln.Telecaster, Les Paul.Akustisch, elektrisch.Hart, weich.Klar oder verzerrt.Fiddle und Lap Steel.

Der Gitarrist Dave Boquist ist der Held des Abends.Hinreißend seine geschmackvollen Fills, Licks und Soli, und der simulierte Klang einer Pedal Steel.Wunderbar.Auch der Bassist Jim Boquist, der mit dem unaufdringlichen Drummer Mike Heidorn das starke Rückgrat der Gruppe bildet, wechselt ständig die Bässe.Eine Frage des Sounds, der Farbe, der Variationen: Rock, Country, Folk; diese angenehme Mischung.Son Volt schauen nicht ins Publikum.Nur geradeaus, ins Leere.Arroganz? Gleichgültigkeit? Mißmut?

Dazu spielen sie zu leidenschaftlich.Es ist die Konzentration aufs Wesentliche.Traumwandlerisch kommen Breaks und Wechsel in der Dynamik.Und sie beherrschen es, die ständige Spannung zu halten zwischen laut und leise, zwischen vorpreschen und zurücknehmen.In den Zugaben werden sie dann noch einmal richtig ungestüm, garagig, punkig.Und mit Iggy Pops knalligem "I Got A Right" endet nach anderthalb Stunden ein wunderbares Konzert.Aber jetzt sollten die Jungs dringend ins Bett.Sie sehen aus, als hätten sie mindestens eine Woche nicht geschlafen.

H.P.DANIELS

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